Aus mehreren Gründen gehen Prostituierte ihrem Geschäft zunehmend im illegalen Bereich nach – fernab von Bordellbetrieben und oft außerhalb der Reichweite von Beratungsstellen, die helfen wollen.
Beratungsstellen für Prostituierte in Rheinland-Pfalz fällt die Kontaktaufnahme mit Frauen zunehmend schwer. Seit einiger Zeit sei eine Verschiebung in private, über das Internet vermittelte Bereiche zu beobachten, heißt es in einer Antwort des Frauenministeriums in Mainz auf eine Anfrage aus der Landtagsfraktion der Freien Wähler. Die Corona-Pandemie mit dem zeitweisen Verbot der Prostitution habe die Situation weiter verschärft.
Wegen Schließungen von Bordellen seien viele Frauen darauf angewiesen gewesen, in „unsichtbaren Bereichen“ weiter der Prostitution nachzugehen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, schreibt das Ministerium weiter. In dem Zusammenhang seien die Angebote auf Portalen im Internet sprunghaft gestiegen. Auch nach der Pandemie seien viele Frauen nicht wieder aus der illegalen Prostitution in Bordellbetriebe zurückgekehrt.
Es wird auf „Online-Streetwork“ gesetzt
Das bringt für Beratungsstellen das Problem mit sich, dass sie nur noch schwer Kontakt zu Frauen aufnehmen können. Das bestätigt Lena Günzel von der Beratungsstelle für Menschen in der Prostitution in Ludwigshafen. Es werde vor allem „Online-Streetwork“ betrieben, sagt sie. Portale, auf denen Sexarbeiterinnen Angebote machten, würden beobachtet, Frauen dann gezielt über Whatsapp kontaktiert und mit Flyern informiert. Ein großes Problem sei, dass die Frauen häufig den Ort wechselten und von Wohnung zu Wohnung weiterzögen, auch das erschwere eine Unterstützung enorm. Eine dauerhafte Beratung sei kaum möglich.
Ähnlich klingt das bei Nicole Schulze aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich. Sie ist selbst Sexarbeiterin und war bis zum vergangenen Jahr Vorstandsmitglied beim Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. Dass so viele Frauen ihrer Arbeit im Verborgenen nachgehen, ist für sie nicht nur eine Folge der Corona-Pandemie, sondern auch des Prostituiertenschutzgesetzes von 2017. Das sei zwar gut gemeint gewesen, aber nicht gelungen.
Das Gesetz schreibe etwa eine Anmeldung, einen „Hurenausweis“ und eine gesundheitliche Beratung vor. Viele Frauen mache es Angst, sie sorgten sich, was mit ihren Daten geschehe. Viele hätten die Befürchtung, dass die eigene Familie von der Arbeit erfahre und sie geächtet würden. Insofern seien zahlreiche Sexarbeiterinnen schon in den Jahren vor der Pandemie in die Illegalität abgewandert und kämen nicht mehr in Bordelle.
Ruf nach mehr Beratungsstellen
Während der Pandemie seien viele Frauen durch die Hilfesysteme gerutscht, hätten trotz des Verbots weiter arbeiten müssen, sagt Schulze. Viele Frauen vor allem aus Osteuropa hätten in dieser Zeit gelernt, sich selbst zu organisieren. Eine Folge sei, dass die Präsenz auf Portalen im Internet immer wichtiger werde, um an Kunden zu kommen. Dort seien Anzeigen jedoch immer teurer geworden, Schulze spricht von „Ausbeute“.
Ein besonders extremer Fall von Zwangsprostitution aus Koblenz, bei dem das Opfer als Prostituierte im Internet angeboten worden war, machte zuletzt Schlagzeilen. Am Dienstag wurden eine Frau und ein Mann zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, weil sie eine mit ihnen zusammenlebende Frau zur Prostitution gezwungen und zu Tode misshandelt haben. Das Opfer sei durch Gewalt und Erniedrigungen zum Sex mit anderen gezwungen worden, hieß es in der Anklage.
Nicht jeder Fall, der bei einer Beratungsstelle landet, ist so extrem. Doch auch vor dem Hintergrund anderer Herausforderungen für Prostituierte bräuchte es mehr und flächendeckend Beratungsstellen sowie praxisnahe Hilfe von Sexarbeiterinnen zu Sexarbeiterinnen. Wünschenswert sei für Beratungsangebote mehr staatliche Förderung, sagt Schulze. Von einem grundsätzlichen Verbot der Prostitution, das immer mal wieder auch in Deutschland diskutiert wird und das es etwa in Frankreich gibt, hält sie nichts. Das würde nur noch mehr Frauen in die Illegalität treiben.
Günzel von der Beratungsstelle in Ludwigshafen berichtet, dass bei ihnen viele Fragen von Frauen etwa zu Jobcenter-Leistungen, zum Umgang mit Behörden, zu Steuerfragen, Fragen rund um Versicherungen oder auch zu Gesundheitsthemen ankämen. „Die Bürokratie ist einer der größten Punkte“, sagt sie. Viele Frauen hätten nach wie vor mit Stigmatisierung und Berührungsängsten bei vielen Menschen, auch bei Ämtern und Ärzten, zu kämpfen. Bei für Sexarbeiterinnen durchaus kniffligen Steuerfragen dürften die Frauen bedauerlicherweise nicht beraten werden, auch wenn sie schwer anderweitig an Unterstützung kämen.
Die Beratungsstelle rate nicht aktiv zum Ausstieg aus der Branche, betont Günzel, man nehme eine neutrale Position ein. Wenn in einem Gespräch aber deutlich werde, dass es einer Frau nicht gut gehe, werde auch darüber und über mögliche Unterstützungsleistungen geredet. An denen mangele es aber, betont Günzel. In Rheinland-Pfalz gebe es beispielsweise nicht eine Wohnung für Aussteigerinnen.
Antwort des Ministeriums