Gut zwei Wochen vor den Neuwahlen in Frankreich formieren sich zwei starke Blöcke rechts und links vom Regierungslager von Präsident Emmanuel Macron: Mehrere links-grüne Parteien schmiedeten ein Bündnis und stellten am Freitag ein gemeinsames Wahlprogramm vor. Derweil gab der Chef des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, eine „historische Übereinkunft“ bekannt: Der RN werde in 70 Wahlkreisen gemeinsame Kandidaten mit den konservativen Republikanern aufstellen.
Das links-grüne Wahlbündnis, das unter dem Namen Neue Volksfront antritt, will in jedem Wahlkreis einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen. Die innerhalb von vier Tagen ausgehandelte Allianz umfasst die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI), die sozialistische Partei (PS), die kommunistische Partei (PCF) und die Grünen (EELV).
Der Name erinnert an die linke Volksfront unter Léon Blum, die 1936 in Frankreich an die Macht kam. Das Bündnis gilt als eine Neuauflage des Wahlbündnisses Nupes von 2022, das allerdings wegen inhaltlicher Differenzen der beteiligten Parteien gescheitert war. Die Neue Volksfront will nun unter anderem die umstrittene Rentenreform rückgängig machen, die das Rentenalter in Frankreich von 62 auf 64 Jahre angehoben hatte.
„Entweder werden die Rechtsextremen gewinnen oder wir“, sagte die Grünen-Chefin Marine Tondelier bei der Vorstellung des Wahlprogramms in Paris. „Es besteht zum ersten Mal seit der Vichy-Regierung die Gefahr, dass die Rechtsextreme an die Macht kommt“, sagte der Sozialisten-Chef Olivier Faure mit Blick auf die französische Vichy-Regierung, die mit Nazi-Deutschland kollaboriert hatte.
Auf internationaler Ebene will die Neue Volksfront den EU-Stabilitätspakt sowie Freihandelsabkommen aufkündigen und sich für eine EU-weite Reichensteuer einsetzen. Mit Blick auf die Ukraine soll die „Lieferung nötiger Waffen“ fortgesetzt werden. Um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, sollen unter anderem der Ausbau von Autobahnen gestoppt und erneuerbare Energien gefördert werden.
Die Mitglieder des Bündnisses einigten sich noch nicht darauf, wen sie im Fall eines Wahlsiegs als Premierminister vorschlagen wollen. Die Sozialisten lehnen allerdings den linkspopulistischen Politiker Jean-Luc Mélenchon ab, der sein Interesse angemeldet hatte.
Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage kommt die vereinte Linke auf 28 Prozent, der RN auf rund 31 Prozent der Stimmen und das Regierungslager des Präsidenten auf 18 Prozent. Die Rechtspopulisten sehen sich schon nahezu an der Macht: Wenn er zum Premierminister ernannt werde, werde er an den Planungen für die Olympischen Spiele festhalten, sagte Bardella.
Der RN-Chef gab am Freitag bekannt, dass sich seine Partei in 70 Wahlkreisen mit den Republikanern – also denen, die dem ausgeschlossenen Parteichef Eric Ciotti folgen – auf gemeinsame Kandidaten geeinigt habe. Es gebe mit den Republikanern bei verschiedenen Themen Übereinstimmungen, etwa „beim Erhalt der Kaufkraft, der Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung sowie der drastischen Reduzierung der Zuwanderung“.
Bei den Wahlen strebe er „die größtmögliche Mehrheit“ an, sagte Bardella dem Sender BFM. RN-Fraktionschefin Marine Le Pen kündigte im Fall eines Wahlsiegs ihrer Partei eine „Regierung der nationalen Einheit“ und Sofortmaßnahmen gegen Einwanderung an.
Unterdessen warteten die konservativen Republikaner am Freitag weiter auf die Entscheidung eines Gerichts zu ihrem geschassten Parteichef, der nach seinem Schulterschluss mit den Rechtspopulisten für einen Großteil der Partei nicht mehr tragbar war. Ciotti hatte gegen seinen Parteiausschluss durch die übrige Parteiführung rechtliche Schritte eingeleitet. Er argumentierte, die Parteiführung habe damit die Statuten der Partei verletzt.
Nach dem Wahltriumph des RN bei der Europawahl am vergangenen Sonntag hatte Macron kurzfristig Neuwahlen zur Nationalversammlung ausgerufen. Die Wahl findet in zwei Runden bereits am 30. Juni und 7. Juli statt. Bei einem RN-Sieg könnte sich der Präsident gezwungen sehen, den Rechtspopulisten Bardella zum Premierminister zu ernennen. Damit ginge er eine sogenannte Kohabitation ein, die seine Regierungsfähigkeit erheblich einschränken dürfte.