Die Behörden rechnen mit mehr Anträgen durch das neue Staatsangehörigkeitsrecht. Es soll Menschen, die alle Anforderungen erfüllen, ermutigen, Deutsche zu werden. Ein Blick ins Kleingedruckte.
Mit Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsgesetz hat die Ampel-Koalition eines ihrer zentralen Vorhaben in der Migrationspolitik verwirklicht. Die seit Donnerstag geltenden neuen Regeln sehen kürzere Fristen vor und erlauben den Doppelpass ab sofort für alle. Um eine bundesweit einheitliche Umsetzung zu ermöglichen, hat das Bundesinnenministerium nach eigenen Angaben wenige Tage vor dem Starttermin der neuen Regeln für die Einbürgerung an diesem Donnerstag vorläufige Anwendungshinweise dazu an die Länder geschickt.
Diese haben allerdings für die Länder, deren Behörden die Einbürgerungen vornehmen, keinen bindenden Charakter, wie ein Sprecher erläuterte. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Praxis der vergangenen Jahre hat jedoch gezeigt, dass die Länder sich an den Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums orientieren, damit die gesetzlichen Regelungen zum Staatsangehörigkeitsrecht einheitlich angewandt werden.“
Das von der Ampel-Koalition formulierte Gesetz sieht vor, dass ein Anspruch auf Einbürgerung nun schon nach fünf statt bisher acht Jahren besteht – vorausgesetzt der Antragsteller erfüllt alle Bedingungen. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen Ausländerinnen und Ausländer bereits nach drei Jahren Deutsche werden können. Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind gute Leistungen in Schule oder Job, hervorragende Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement. Mehrstaatigkeit wird generell zugelassen.
Voraufenthaltszeit von fünf statt acht Jahren
Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern erhalten ab sofort die deutsche Staatsangehörigkeit und können die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf – statt bisher acht – Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Die sogenannte Optionsregelung, die bisher für nicht in Deutschland aufgewachsene junge Menschen galt, entfällt. Um die Leistungen der DDR-Vertragsarbeiter und der sogenannten Gastarbeiter zu würdigen, wurden für diese Gruppen die Anforderungen für eine Einbürgerung gesenkt.
„Darauf haben viele seit Jahrzehnten gewartet“, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD). Deutschland habe mit der Reform „endlich ein Staatsangehörigkeitsrecht auf der Höhe der Zeit“.
Die FDP wies darauf hin, dass die Hürden für die Einbürgerung trotz der kürzeren Fristen insgesamt nicht gesenkt würden. „Den deutschen Pass zu bekommen, geht künftig schneller, wird aber schwerer, denn die Voraussetzungen für die Einbürgerung wurden deutlich verschärft“, sagte der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae.
Eine höhere Zahl von Anträgen bedeute auch nicht zwingend, dass es langfristig zu deutlich mehr Einbürgerungen kommen werde. Denn wer Deutscher werden wolle, müsse anders als bisher finanziell auf eigenen Beinen stehen, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete. „Zudem verschärfen wir Prüfungen, damit Antisemiten und Menschen, die unsere Werte nicht teilen, nicht eingebürgert werden“, fügte er hinzu.
Der Deutsche Landkreistag rechnet dagegen mit einer deutlichen Zunahme der Einbürgerungen. „Wir schätzen, dass sich die Zahl der Einbürgerungsanträge verdoppeln, teilweise verdreifachen wird“, sagte Präsident Reinhard Sager der „Bild“-Zeitung (Donnerstag).
„Lippenbekenntnis“ zur Verantwortung Deutschlands reicht nicht
Wie aus dem Innenministerium verlautete, beinhalten die an die Länder übermittelten Anwendungshinweise etwa Hinweise, was Anhaltspunkte für ein nicht wirksames „Lippenbekenntnis“ zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und zur „besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen“ sein könnten. Dazu zählten beispielsweise „Aufrufe zur Vernichtung des Staates Israel“ und entsprechende Sympathiebekundungen in den sozialen Medien, ebenso „Kriegshetze“ und homophobe Handlungen.
Praktische Hinweise gibt das Bundesinnenministerium den Ländern auch dazu, wie festzustellen ist, ob jemand, der als Angehöriger der sogenannten Gastarbeiter-Generation keinen schriftlichen Sprachnachweis erbringen muss, zumindest über ausreichende mündliche Sprachkenntnisse verfügt.
Konkrete Hinweise gibt es auch zu der nunmehr eingeschränkten Möglichkeit einer sogenannten Ermessenseinbürgerung. Die kommt zum Beispiel aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung infrage oder wenn jemand wegen der Pflege von Angehörigen seinen Lebensunterhalt nicht vollständig allein bestreiten kann. Dazu heißt es aus Ministeriumskreisen, Voraussetzung für eine Einbürgerung auf Basis der Härtefallregelung sei, dass jemand, der einer der im Gesetz genannten „vulnerablen Personengruppen“ angehöre, „alles objektiv Mögliche und subjektiv Zumutbare“ getan habe, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern und dennoch, ganz oder teilweise, auf öffentliche Leistungen angewiesen sei.