Potsdam hat wieder eine Synagoge. Die feierliche Eröffnung gilt auch als Zeichen gegen wachsenden Antisemitismus. Der Bundespräsident zeigt sich entschlossen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Eröffnung der neuen Synagoge in Potsdam zum Kampf gegen den wachsenden Antisemitismus aufgerufen. „Überall in Europa haben Jüdinnen und Juden wieder Angst. Angst vor Hass, vor Gewalt, vor Ausschreitungen. Weil sie Juden sind. Das ist unerträglich“, sagte Steinmeier bei dem Festakt. Deutschland müsse alles tun, um jüdisches Leben zu schützen.
Die neue, 17,5 Millionen Euro teure Synagoge wurde unter starkem Polizeischutz eingeweiht. Mehr als 85 Jahre nach den NS-Pogromen haben Jüdinnen und Juden nun wieder ein religiöses und kulturelles Zentrum in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Das Vorhaben war schwierig und von jahrelangem Streit unter den jüdischen Gemeinden begleitet, die unterschiedliche religiöse Strömungen vertreten.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: „Es ist eine Schande für unser Land, dass wir jüdisches Leben schützen müssen.“ Seit dem Hamas-Angriff auf Israel haben Feindseligkeiten gegen Juden in Deutschland eine neue Dimension erreicht.
„Nur wenn Jüdinnen und Juden sich in Deutschland ganz zu Hause fühlen, nur dann ist dieses Land ganz bei sich“, sagte Steinmeier und versprach: „Deutschland bleibt ein Zuhause für Jüdinnen und Juden. Dafür stehe ich persönlich und dafür tritt die Mehrheit aller Deutschen – das versichere ich Ihnen – ein.“
Steinmeier ging auch auf Proteste im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg ein. „Selbstverständlich muss es auch in unserem Land möglich sein, den Schmerz, die Trauer über die palästinensischen Opfer, die Angst um Angehörige und Freunde zu zeigen, auch im öffentlichen Raum.“ Die Grenze sei aber dort überschritten, „wo die Trauer, der Schmerz, die Verzweiflung, wo all das zu Hetze wird, zu blankem Hass, im schlimmsten Fall zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden“.
Hohe Sicherheitsvorkehrungen
Der Neubau mit sandfarbener Ziegel-Fassade ist mit Panzerglas und einer Sicherheitsschleuse ausgestattet. „Immer noch von Mut zu sprechen, wenn es um die Einweihung einer Synagoge geht, hört sich in diesen Zeiten leider sehr richtig an“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden Josef Schuster. Ein Drittel der jüdischen Gemeinden in Deutschland habe in den Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober antisemitische Angriffe erfahren – von Vandalismus und psychischem Druck bis zu Anschlägen.
Potsdam war zuletzt die einzige Landeshauptstadt in Deutschland ohne eine Synagoge. Dort gab es bislang nur ein kleines jüdisches Gotteshaus in der Universität. Die alte Synagoge war 1945 zerstört worden.
Synagogenzentrum soll auch ein offenes Haus sein
Trotz Sorgen vor wachsendem Antisemitismus und hohen Sicherheitsvorkehrungen will sich das neue Synagogenzentrum nicht abschotten, sondern ein offenes Haus sein, auch für Menschen anderen Glaubens. „Jüdische Gemeinden sind kein Geheimclub (…)“, sagte Schuster. „Nur, wenn wir jüdisches Leben sichtbar machen, wenn wir die vielen Facetten jüdischer Gemeindekultur zeigen (…) können wir damit auch ein Zeichen gegen Hass und Hetze setzen“, sagte Ministerpräsident Woidke.
Sorge vor AfD-Erstarken bei Landtagswahl
Trägerin des Synagogenzentrums ist zunächst für drei Jahre die Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Gebaut und finanziert hat es Land Brandenburg.
Der Präsident der ZWST, Abraham Lehrer, rief indirekt dazu auf, bei der Landtagswahl im September nicht AfD zu wählen. „Mit großer Sorge schauen wir auf die Umfrageergebnisse hier in Brandenburg“, sagte er. „Rechtsextreme Parteien werden niemals ein Garant jüdischen Lebens in Brandenburg sein.“
Der Verfassungsschutz Brandenburg stuft den AfD-Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die AfD liegt in Umfragen zur Landtagswahl vorn.
Vier jüdische Gemeinden sollen Synagoge nutzen
An der feierlichen Synagogen-Einweihung nahmen auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, teil. Kanzler Olaf Scholz (SPD) war nach Angaben einer Regierungssprecherin aus Termingründen nicht als Gast dabei.
Vier jüdische Gemeinden sollen nun das neue religiöse und kulturelle Zentrum in der historischen Mitte der Landeshauptstadt gemeinsam nutzen, eine Gemeinde hatte nicht unterschrieben.
Der moderne Synagogenraum mit Bogenfenstern bietet nach Angaben des Trägers 199 Menschen gleichzeitig Platz. Dort wurde heute erstmals der Thora-Schrein geöffnet, in dem die Thorarollen aufbewahrt werden. Die Thora ist die hebräische Bibel und der geistige Mittelpunkt des Judentums. Im Untergeschoss des Gebäudes befindet sich zudem die Mikwe, ein Tauchbad für religiöse Zwecke. Neben Gebetsräumen gibt es in dem Neubau einen Veranstaltungsaal, ein Besuchercafé, eine Bibliothek, Büroräume sowie Musik- und Kunsträume.