Pläne zu Raketenstationierung wecken in Deutschland Sorge vor Wettrüsten

Die deutsch-amerikanische Vereinbarung zur Stationierung von US-Langstreckenraketen hat in Deutschland Sorgen vor einem neuen Wettrüsten geweckt. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner kritisierte die Entwicklung am Donnerstag als gefährlich. Die Grünen warfen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, die Entscheidung nicht ausreichend verständlich zu erklären. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) begrüßte die Stationierungspläne: Die USA-Waffen könnten eine „ernstzunehmende Fähigkeitslücke in Europa“ schließen.

Deutschland und die USA hatten am Mittwochabend gemeinsam verkündet, dass die US-Armee – nach mehr als 20 Jahren Pause – ab 2026 wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren will, zur besseren Abschreckung gegen Russland. Diese Waffen „werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Stegner reagierte in den Funke-Zeitungen mit Sorge auf die Ankündigung: „Das alles führt wieder zu einem Wettrüsten„, sagte Stegner. „Die Welt wird davon nicht sicherer. Im Gegenteil: Wir kommen in eine Spirale, in der die Welt immer gefährlicher wird.“

Verteidigungsexpertinnen der Grünen kritisierten, dass Kanzler Scholz eine so weitreichende Entscheidung wie die Raketenstationierung nicht öffentlich begründet habe. Die fehlende Klarheit „kann Ängste verstärken und lässt Raum für Desinformation und Verhetzung“, sagte die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni der „Rheinischen Post“. „Der Kanzler sollte sich rasch dazu erklären.“

Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger sagte den Funke-Zeitungen: „Einmal mehr kann ich die Sprachlosigkeit des Kanzlers nicht verstehen.“ Sie fügte hinzu: „Wer so eine gewichtige Entscheidung trifft, muss sie auch erklären und einordnen.“ Inhaltlich unterstützte Brugger die Entscheidung: „Den Drohungen und der Brutalität von Wladimir Putin begegnet man am besten mit Stärke Zusammenhalt und Schutz.“

Die Stationierung der US-Raketen soll nach Regierungsangaben nur vorübergehend erfolgen – bis Deutschland und die europäischen Verbündeten selbst derartige Waffen herstellen und stationieren. Deutschland und Frankreich haben bereits die Entwicklung einer gemeinsamen Langstreckenrakete vereinbart, andere europäische Länder sollen sich daran beteiligen. 

Minister Pistorius sagte im Deutschlandfunk, mit der Stationierung der US-Raketen sei „ganz klar die Erwartung der USA verbunden, dass wir selber investieren in die Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen“. Die US-Raketen seien als eine Art Überbrückung gedacht bis zur Entwicklung eigener Fähigkeiten: „Diese temporäre Stationierung ab nächstes Jahr wird uns genau die Zeit dafür geben, die wir dafür brauchen.“

Die FDP-Europapolitikerin und Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann begrüßte die Stationierungsentscheidung: „Das ist strategisch für das Bündnis von enormer Bedeutung“, sagte sie der „Rheinischen Post“. „Denn Deutschland ist die zentrale Drehscheibe Europas auch und besonders, wenn es um das Verlegen von Truppen aus dem Westen Richtung Osten geht“ – daher mache die Entscheidung „großen Sinn“.

Zustimmung kam auch von der Union. „Die Langstreckenwaffen werden einen wichtigen Beitrag zur langfristigen und glaubhaften Abschreckung leisten“, erklärte deren Außenexperte Johann Wadephul (CDU).

Scharfe Kritik und drastische Warnungen kamen von den Oppositionsparteien AfD, BSW und Linke. „Die Stationierung macht Deutschland zur Zielscheibe“, erklärte AfD-Chef Tino Chrupalla. Scholz lasse zu, „dass Deutschlands Verhältnis zu Russland dauerhaft beschädigt wird und wir in Muster des Ost-West-Konflikts zurückfallen“. 

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sagte dem „Spiegel“: „Die Stationierung zusätzlicher Angriffsraketen auf deutschem Boden verbessert unsere Sicherheit nicht, sondern erhöht im Gegenteil die Gefahr, dass Deutschland selbst zum Kriegsschauplatz wird, mit furchtbaren Folgen für alle hier lebenden Menschen.“

Der verteidigungspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte der „Rheinischen Post“: „Ich finde diese Entscheidung höchst problematisch, weil die Aufrüstungsspirale unter der Überschrift Abschreckung weitergedreht wird.“