Das Regionalparlament in Barcelona ernennt einen neuen Präsidenten. Carles Puigdemont will sich das nicht entgehen lassen – und nimmt eine mögliche Verhaftung in Kauf.
Sieben Jahre nach seiner Flucht hat der katalanische Unabhängigkeitsbefürworter Carles Puigdemont trotz drohender Festnahme seine Rückreise nach Spanien angetreten. Er sei auf dem Weg zurück in seine Heimat, teilte Puigdemont am Mittwoch per Video im Onlinedienst X mit. Am Donnerstag wolle er trotz möglicher Festnahme an einer Sitzung des katalanischen Regionalparlaments in Barcelona zur Ernennung eines neuen Regionalpräsidenten teilnehmen.
Die Investitur des neuen katalanischen Regionalpräsidenten ist für Donnerstag um 10.00 Uhr angesetzt. Spitzenkandidat ist der frühere Gesundheitsminister und Sozialistenchef Salvador Illa. Vor der Sitzung hat Puigdemonts Partei Juntos per Catalunya (JxCat) für ihren Ex-Chef und früheren Regionalpräsidenten vor dem Parlamentsgebäude eine Willkommensfeier geplant.
Puigdemont droht in Spanien eine Verhaftung wegen seines 2017 gescheiterten Versuchs, Katalonien von Spanien loszulösen. Puigdemonts Junts-Partei war bislang im Nationalparlament in Madrid Mehrheitsbeschaffer für Sanchez’ Regierung. Ob Junts bei einer Festnahme von Puigdemont die Minderheitsregierung weiter stützt, ist fraglich.
Carles Puigdemont – kämpferisch wie eh und je
„Unter normalen demokratischen Bedingungen wäre es unnötig und irrelevant, wenn ein Abgeordneter wie ich seine Absicht bekannt geben würde, an dieser Sitzung teilzunehmen“, sagte Puigdemont in der am Mittwoch veröffentlichten Aufnahme, in der er vor einer katalanischen und einer EU-Flagge zu sehen war. In Spanien herrschten aber „keine normalen demokratischen Verhältnisse“.
Zum einen stehe den Befürwortern der katalanischen Unabhängigkeit wegen ihrer Initiative zu einem gerichtlich verbotenen Referendum über eine Abspaltung Kataloniens von Spanien „eine lange Verfolgung“ bevor, sagte Puigdemont. Zum anderen weigere sich der oberste Gerichtshof des Landes, „dem verabschiedeten und in Kraft getretenen Amnestiegesetz Folge zu leisten“.
Diese „Herausforderung“ müsse „beantwortet und bewältigt“ werden, sagte der katalanische Politiker weiter. „Deshalb haben wir die Rückreise aus dem Exil angetreten.“ Angesichts der „rebellischen Haltung einiger Richter des obersten Gerichtshofs“ könnten er und seine Mitstreiter „nicht schweigen“.
Katalonien: Ultimatum läuft ab_10.50
Amnestie für alle nur nicht für Puigdemont
Anfang Juli hatte Spaniens oberstes Gericht zwar wegen formaler Fehler das Verfahren wegen „Terrorismus“ gegen Puigdemont eingestellt. Die spanische Justiz verfolgt den Unabhängigkeitsaktivisten allerdings auch noch wegen Unterschlagung von Geldern sowie wegen des Vorwurfs des Hochverrats.
Wenige Tage zuvor hatte das oberste Gericht Puigdemont trotz des umstrittenen Amnestiegesetzes eine Strafbefreiung mit Verweis auf den Vorwurf der Unterschlagung verweigert und den 2017 erlassenen Haftbefehl gegen ihn in Kraft gelassen. Puigdemont legte gegen diese Entscheidung Berufung ein.
Die Amnestie sollte katalanischen Aktivisten zugute kommen, die nach dem gescheiterten Abspaltungsversuch Kataloniens im Jahr 2017 von der spanischen Justiz verfolgt wurden. Puigdemont war der führende Initiator des damaligen Referendums, welches das Land in eine seiner schwersten politischen Krisen stürzte. Nach seiner Flucht ins Exil wurde Puigdemont 2019 als Abgeordneter ins Europäische Parlament gewählt. Zuletzt lebte er in Belgien.
Die Zusage des Amnestiegesetzes war Voraussetzung dafür, dass die Unabhängigkeitsbefürworter im Parlament in Madrid dem Sozialisten Pedro Sánchez im November eine zweite Amtszeit als Spaniens Regierungschef ermöglichten.