Im November 2020 fällt auf der A3 eine Betonplatte von einer Lärmschutzwand auf ein Auto und erschlägt die Fahrerin. Ursache soll Pfusch am Bau gewesen sein. Jetzt läuft der Prozess.
Es geschah im Bruchteil einer Sekunde: Eine Frau fährt bei Köln über die A3 – und plötzlich fällt von oben eine tonnenschwere Platte auf ihren Kleinwagen. Die 66-Jährige hat keine Chance und ist sofort tot. Die Betonplatte hatte sich an jenem verhängnisvollen 13. November 2020 aus einer Lärmschutzwand gelöst. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Es gab Pfusch am Bau.
Vor dem Kölner Landgericht hat nun der Prozess begonnen. Ein 62 Jahre alter Ingenieur einer Baufirma ist wegen Totschlags durch Unterlassen angeklagt. Zwei 59-jährigen ehemaligen Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßen.NRW wirft die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung vor.
Die von Straßen.NRW beauftragte Baufirma hatte 2008 beim Ausbau der A3 zwischen den Anschlussstellen Köln-Dellbrück und dem Autobahnkreuz Köln-Ost die Schallschutzmauer montiert. Dabei wurden 200 jeweils sechs Tonnen schwere Schallschutzplatten in Halterungen in der Betonwand eingehängt. Beim Einbau stellte sich laut Anklage jedoch heraus, dass bei sieben der Platten die Maße nicht mit den Halterungen übereinstimmten.
Um das Ganze passend zu machen, sollen mit Wissen des 62-jährigen Bereichsleiters improvisierte Haltewinkel angeschweißt worden sein. Als Folge sei der Korrosionsschutz nicht mehr ausreichend gewesen.
Gutachten belegte mangelnde Statik
Straßen.NRW war damals über die vom Plan abweichende Befestigung informiert worden und hatte daraufhin von der Firma ein Statik-Gutachten gefordert. Dieses soll dem 62-Jährigen im September 2008 vorgelegen haben. Ergebnis: Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der abgeänderten Haltewinkel seien nicht gewährleistet.
Der Ingenieur soll das Gutachten jedoch nicht an den Landesbetrieb weitergeleitet haben. „Er blieb untätig, obwohl das zu erwartende Versagen der Halterungen für ihn erkennbar war“, sagte Staatsanwalt René Seppi. Der Angeklagte habe „billigend den Tod eines Menschen in Kauf genommen“.
Im November 2008 erfolgte die Abnahme der Konstruktion durch den Landesbetrieb – allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Sicherheit der Befestigungen noch nachzuweisen sei. Die beiden 59-Jährigen hätten als damals Verantwortliche bei Straßen.NRW aber nie nachgehakt, wo denn das Gutachten bleibe, sagte Seppi. Sie hätten ihre Kontrollpflichten nicht erfüllt.
Im Laufe der Jahre kam es laut Anklage zur Korrosion an den Halterungen – bis eine der 2,50 mal 5,30 Meter großen Lärmschutzplatten schließlich nachgab. „Sie löste sich von der Betonwand, kippte nach vorne, stürzte ungebremst auf den Kleinwagen und erschlug die Geschädigte“, schilderte der Staatsanwalt.
Angeklagte bestreiten Vorwürfe
Zwei der Angeklagten wiesen die Vorwürfe am ersten Prozesstag zurück. Die Verteidigerin des Ingenieurs sagte, ihr Mandant habe das Gutachten „nicht zur Kenntnis genommen und erst recht nicht unterschlagen“. Als Bereichsleiter sei zudem nicht er für die Montage der Platten verantwortlich gewesen, sondern der Bauleiter, der jedoch inzwischen gestorben sei.
Auch der Verteidiger eines 59-Jährigen sagte, die Abnahme und Kontrolle des Projekts habe nicht in der Zuständigkeit seines Mandanten gelegen: „Er ist nicht strafrechtlich verantwortlich für den Tod der Frau.“ Der dritte Angeklagte machte zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch.
„Ich denke, jeder von uns fährt seit dem Unfall mit einem anderen Gefühl an diesen Lärmschutzwänden vorbei“, meinte Nebenklage-Anwalt Claude-Henrik Husemann, der die Angehörigen des Opfers vertritt, am Rande des Prozesses. „Denn es hätte letztlich jeden von uns treffen können.“
Für den Prozess sind bisher 26 Verhandlungstage bis Ende des Jahres angesetzt.