Taucher haben am Dienstag die Suche nach den sechs vermissten Insassen einer vor Sizilien gesunkenen Luxusjacht fortgesetzt. Im Einsatz an der in 50 Metern Tiefe am Meeresgrund liegenden Jacht sind Spezialisten der Feuerwehr, die für Tauchgänge auf beengtem Raum ausgebildet sind. Ein erster Tauchgang der am Montagabend aus Rom und Sardinien eingetroffenen Spezialisten verlief nach Angaben der Feuerwehr ergebnislos, weil Möbelstücke den Zugang zum Inneren der Jacht versperrten.
Die mit zehn Besatzungsmitgliedern und zwölf Passagieren besetzte Luxusjacht „Bayesian“ war in der Nacht zum Montag in der Nähe von Porticello vor der Küste Siziliens in einem Sturm gesunken. Ursache war eine Wasserhose, eine Art Tornado über dem Meer. 15 Passagiere und Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden. Eine Leiche wurde geborgen, sechs weitere Insassen des Schiffs werden vermisst.
Wegen der Tiefe, in der das gesunkene Schiff liegt, ist jeder Tauchgang auf zwölf Minuten begrenzt, wie Feuerwehrsprecher Luca Cari berichtete. Zwei Minuten davon sind für das Auf- und Abtauchen vorgesehen. Mehrere der jetzt beteiligten Spezialisten waren nach den Worten von Marco Tilotta vom Tauchteam der Feuerwehr von Palermo bereits am Wrack des Kreuzfahrschiffs „Costa Concordia“ im Einsatz, das 2012 vor der Küste der Toskana gesunken war. Damals starben 32 Menschen.
Die Bemühungen konzentrieren sich laut Tilotta darauf, in die Wohn- und Schlafräume der auf der Seite liegenden Jacht vorzustoßen. „Die Räume im Inneren eines Boots sind sehr beengt“, schilderte Feuerwehrsprecher Cari. „Wenn man auf ein Hindernis stößt, ist es sehr schwierig zu umgehen, genau so schwer ist es, Alternativrouten zu finden.“
Unter den Vermissten sind der als „britischer Bill Gates“ bekannte Technologieunternehmer Mike Lynch und dessen 18-jährige Tochter Hannah. Auch ein hochrangiger Manager des Bankhauses Morgan Stanley International, Jonathan Bloomer, und dessen Frau Judy waren dem Versicherungsunternehmen Hiscox zufolge an Bord und werden vermisst. Lynchs Ehefrau Angela Bacares ist dagegen unter den 15 Geretteten, sie kam mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus.
Italienischen Medienberichten zufolge waren die Passagiere Gäste von Lynch. Der Unternehmer hatte demnach auf der Jacht seinen Freispruch im Prozess um einen Milliardenbetrug gefeiert.
Lynch war im Juni in den USA von Betrugsvorwürfen um den Verkauf seiner Software-Firma Autonomy an Hewlett-Packard freigesprochen worden. Ihm war vorgeworfen worden, Akten gefälscht und den Umsatz seines Unternehmens falsch angegeben zu haben. Die „Sunday Times“ schätzte das Vermögen des ehemaligen Regierungsberaters auf rund 587 Millionen Euro.
Die „Bayesian“ wurde 2008 in der Toskana gebaut und 2020 überholt. Laut der Website „Charter World“ verfügte sie über den mit 75 Metern höchsten Aluminium-Segelschiffmast der Welt. Berichten zufolge gehört die „Bayesian“ Lynchs Familie und ist nach dem Satz von Bayes benannt, einem mathematischen Satz aus der Wahrscheinlichkeitstheorie.
Karsten Börner, der Kapitän einer weiteren zum Unglückszeitpunkt vor Porticello ankernden Jacht, berichtete der Zeitung „Corriere della Sera“, in der Nacht des Sturms habe es eine „sehr starke Hurrikan-Böe“ gegeben. Er habe kämpfen müssen, um sein Schiff stabil zu halten. Er habe beobachtet, wie der Mast der „Bayesian“ geschwankt habe und dann umgeknickt sei.
Ein von der Bar „Baia Santa Nicolicchia“ in Porticello veröffentlichtes Foto zeigt die hell beleuchtete Jacht mit ihrem hoch aufragenden Mast in der Nacht zum Montag wenige Stunden vor dem Sturm.