Das Bundesliga-Eröffnungsspiel 2004 ging als das „Stromausfallspiel“ in die Bundesliga-Historie ein und sorgte bei Lars Laser für ordentlich Muffensausen.
Das Eröffnungsspiel der Bundesliga-Saison 2004/2005 zwischen dem SV Werder Bremen und dem FC Schalke 04 ist Lars Lasers erster Arbeitstag als fester Busfahrer der Schalker Profimannschaft. Eigentlich mag es der damals 29-jährige passionierte Motorradfahrer hart, ist Fan von AC/DC und Metallica und spielt selbst Schlagzeug in einer Heavy-Metal-Band. Doch so heavy wie vor 20 Jahren braucht er es dann doch nicht.
Zielsicher bringt Laser, der seit seiner Kindheit Fan der Königsblauen ist, als Jugendlicher in Block 5 des Parkstadions steht und alle vier Söhne mit dem Tag ihrer Geburt als Mitglied beim S04 anmeldet, das Team zum Auftaktspiel nach Bremen. Nachdem Trainer Jupp Heynckes und die Mannschaft um die aus Bremen verpflichteten Neuzugänge Ailton und Mladen Krstajic längst in den Kabinen des Weserstadions verschwunden sind, beginnt er damit, das Essen für die Rückfahrt, das bei Auswärtsspielen zumeist gefroren mit aus Gelsenkirchen genommen wird, vorzubereiten. Weil er den nagelneuen Mercedes Travego nicht auf Zündung laufen lassen will und Strom für die Heißluftöfen braucht, fragt er einen Mitarbeiter der Security nach Anschlussmöglichkeiten.
Der Busfahrer ist großer Schalke 04-Fan, das hat er auch seinen vier Kindern mitgegeben
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„Der zeigte mir einen Verteilerraum, in dem mich gefühlt zehntausend Kabel und eine letzte freie Steckdose erwarteten. An diese habe ich dann meine Kabeltrommel angeschlossen.“ Zurück im Transporter heizen die Öfen bereits vor, als ein Knall durch das Stadion geht und nacheinander die Sprechanlage, die Anzeigetafel und das Flutlicht ausfallen. Laser wundert sich, „warum plötzlich so viele Menschen panikartig an meinem Bus vorbeirannten. Dann guckte ich durch das Marathontor ins Stadion, das komplett dunkel war.“ Stromausfall!
Als er sieht, dass ein Trupp auch noch den Verteilerraum inspiziert, aus dem sein Kabel verräterisch in den Bus führt, ist Laser sicher, der Initiator allen Übels zu sein. Vom schlechten Gewissen getrieben und mit mächtig Muffensausen „bin ich dann aus der Karre gestiegen, habe auf unschuldig getan und die Öhrchen gespitzt, um zu erfahren, was überhaupt Sache ist.“
Eine Party im Dunkeln
Auf den Rängen des mit 42.500 Zuschauern ausverkauften Weserstadions nehmen es die Fans mit Humor, zünden Feuerzeuge, singen ihre Lieder, und die Schalker Anhänger schaffen es tatsächlich, die Bierstände im Gästebereich leerzutrinken. Vor den Fernsehgeräten müssen die ARD-Zuschauer in Erwartung der Liveübertragung zunächst mit einer Unterhaltungssendung vorlieb nehmen, in der Roberto Blanco zu allem Überfluss auch noch „Ein bisschen Spaß muss sein“ singt. Der ‚Täter‘ vor Ort ist derweil weniger amüsiert, denkt vermutlich schon darüber nach, ob seine Haftpflichtversicherung greift und was genau nochmal in Sachen Probezeit in seinem Arbeitsvertrag verankert ist.Bunde
Weil sein Kabel aber später noch immer unentdeckt und die Inspizierung des Verteilerraums augenscheinlich abgeschlossen ist, startet der Busfahrer nun mit der Vernichtung von Beweismitteln, zieht das Kabel heimlich aus der Dose und lässt die Kabeltrommel in den Untiefen des Busses so verschwinden, als hätte sie Gelsenkirchen niemals verlassen. Dann stellt er in Absprache mit den Verantwortlichen seinen Bus wieder auf Zündung, legt sich eine CD von AC/DC in den Player und bereitet wie geplant die Mahlzeiten vor.
Lars Laser bereitet für die Spieler das tiefgefrorene Essen vor
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Mit einer guten Stunde Verspätung wird der Saisonauftakt zwischen Werder und Schalke unter Notbeleuchtung angepfiffen und Nelson Valdes erzielt um 23:15 Uhr das bis heute am spätesten erzielte Tor der Bundesligageschichte zum 1:0-Endstand für Werder Bremen.
Nachdem Mannschaft und Betreuer mit Essen versorgt sind und der Bus weit nach Mitternacht wieder in Richtung Gelsenkirchen unterwegs ist, erfährt Laser aus dem Radio, dass ein Bagger bei Bauarbeiten ein Stromkabel durchtrennt haben soll und für das Dilemma verantwortlich ist. Tags darauf lösen die Bremer Stadtwerke auf, dass eine Starkstrom-Muffe, die heute im Werder-Museum ausgestellt ist, für den Stromausfall im und um das Stadion sorgte. „Zum Schluss“, so der heute 49-Jährige, „war es mir auch egal, wer für das Drama zuständig war. Hauptsache, ich war es nicht.“