Scholz, Merz und Co.: Banger Blick aus Berlin: Wer vor den Landtagswahlen zittern muss

Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen könnten auch die Bundespolitik erschüttern. Was für wen auf dem Spiel steht – ein Überblick.

Am Sonntag wählen die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen und in Thüringen ihre Parlamente neu: In beiden Ländern dürften die Parteien der Ampel schwere Niederlagen einfahren, die extrem Rechten und die Populisten triumphieren. Es zeichnen sich komplizierte Regierungsbildungen ab.

Auch die Berliner Politik wird angespannt auf die Ergebnisse blicken: Mögliche Erschütterungen am Wahlabend könnten sich bis in die Hauptstadt ziehen. Von gerade noch verkraftbaren Niederlagen über einen risikoreichen Triumph bis hin zum Test der Autorität ist vieles möglich. Was für Olaf Scholz, Friedrich Merz, Sahra Wagenknecht und Co. auf dem Spiel steht:

Olaf Scholz: Ob die SPD ihn dann noch für den richtigen hält…?

Zwischen Schlüsselrolle und Scherbenhaufen liegen für die SPD am Sonntag nur wenige Prozentpunkte: Ausweislich der Umfragen (6 Prozent) schrammen die Sozialdemokraten gefährlich nah an der 5-Prozent-Hürde, der Todeszone. Es droht ein historisches Debakel, erstmals würde die SPD aus einem Parlament fliegen. Schon jetzt scheint in den Ländern das schlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung sicher. 

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Können die Spitzenkandidaten Katja Köpping, Sozialministerin in Sachsen, und Georg Maier, Innenminister in Thüringen, das Unheil abwenden? Wohl und Wehe liegen nah beieinander, denn sollte den Sozialdemokraten der Verbleib im Landtag glücken, ist sowohl in Sachsen als auch Thüringen eine Regierungsbeteiligung wahrscheinlich, um eine Koalition mit Extremen und Populisten zu verhindern.  

Es geht also um alles, folglich werden auch Kanzler Olaf Scholz und die Bundespartei die roten Wahlbalken genau im Blick haben. Eine Niederlage ginge auch mit ihnen nach Hause, würde wohl dazu führen, dass die SPD in der unbeliebten Ampel breitbeiniger auftritt, um ihr Profil erkennbarer zu machen. Nach dem Motto: Keine Rücksicht mehr. Noch mehr Krach wäre eingepreist. 

Ebenso die Frage, ob der ebenso unbeliebte Kanzler immer noch der richtige Kandidat für die Bundestagswahl 2025 wäre. Bislang stellt sich die SPD-Spitze demonstrativ hinter Scholz, versichert, er ist und bleibe Kanzler wie Kandidat. Auch noch nach krachenden Niederlagen in Sachsen und Thüringen?

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Und am 22. September steht noch die Landtagswahl in Brandenburg an, wo Ministerpräsident Dietmar Woidke die Staatskanzlei für die SPD verteidigen will. Öffentliche Personaldebatten und Schlammschlachten kann Woidke bis dahin nicht gebrauchen – das könnte seine Partei möglicherweise disziplinieren. Erstmal.

Friedrich Merz: Der CDU-Chef steht vor einem Autoritätstest

Eigentlich kann Friedrich Merz halbwegs gelassen auf seine Lage blicken. Die Umfragewerte seiner Partei sind stabil, er selbst hat die CDU unter Kontrolle. Problem: Ob das ab Sonntag noch gilt, ist offen. Besonders nervös blicken seine Leute auf Thüringen, wo der eigene Landesverband sich vor gut vier Jahren machtpolitisch so sehr verlief, dass eine CDU-Bundesvorsitzende darüber stolperte. 

Die Frage, ob man mit Hilfe von BSW oder Linken einen eigenen Ministerpräsidenten stellen kann, könnte die CDU auch diesmal zerreißen – just zu dem Zeitpunkt, zu dem eigentlich die Kanzlerkandidatur in der Union geklärt werden soll. Die Tage nach der Wahl werden auch zu einem Autoritätstest für den Parteichef: Schafft es Merz, seinen Landesverband vor den gefährlichsten Spielchen abzuhalten? Oder verzettelt er sich? Einer wird ganz genau hinschauen: Markus Söder, der auf seine Chance in der K-Frage noch hofft.

Sahra Wagenknecht: Der wahrscheinliche Triumph birgt Risiken

Wenn Sahra Wagenknecht am Sonntagabend zittert, dann dürfte es vor allem der Freude wegen sein. Ihre neue Partei steht in den Umfragen für Sachsen und Thüringen solide zweistellig.

Doch der wahrscheinliche Sieg birgt Risiken für ihr eigentliches Ziel: die Bundestagswahl. In Berlin steht die Bühne Wagenknechts. Hier will sie an die Macht.

Wie Wagenknecht mit der CDU spielt 11.45

Das Problem: Würde ihre Partei in Dresden, Erfurt oder später in Potsdam zum Regieren gebraucht, müsste sie Kompromisse schließen. Das BSW müsste sich mit der CDU und womöglich der SPD einlassen, also genau mit jenen Parteien, die Wagenknecht als unfähig bezeichnet. 

Das war offenkundig auch ein Grund dafür, dass die Parteichefin immer neue Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung stellte. Die neue Koalition müsse sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und neue US-Raketen in Deutschland bekennen, dekretierte sie. Und: Sie selbst werde dies in den Verhandlungen durchsetzen. 

Doch ob sich ihre Landesparteikollegen, wenn sie mit Mandaten ausgestattet sind, noch an ihre Vorgaben halten werden? Ein Grund zum Zittern ist diese Frage allemal.

Björn Höcke: Für den AfD-Politiker könnte es ein Pyrrhussieg werden

Die AfD dürfte in Thüringen die Wahlen gewinnen. Irren die Umfrageergebnisse nicht vollständig, ist Landeschef Björn Höcke Platz 1 nicht mehr zu nehmen. Entsprechend seinem Wesen wird er das Ergebnis als totalen Sieg feiern.

Doch als Geschichtslehrer kennt Höcke bestimmt Pyrrhos I. von Epirus: Eine gewonnene Schlacht kann schon die nächste Niederlage in sich tragen.

Schon jetzt ist Höckes Einfluss in der AfD gesunken. Und dass die Partei die stärkste Fraktion in Erfurt wird, ist längst eingepreist. 

Kolumne Fernost 2 9.18

Die zentrale Frage wird vielmehr sein, ob die AfD mehr als ein Drittel der Sitze im Landtag beanspruchen kann. Dann besäße sie eine sogenannte Sperrminorität, also ein Veto gegen alles, was im Parlament eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt – von Verfassungsänderungen über Richterwahlen bis zur Selbstauflösung des Landtags. 

In diesem Fall hätte Höcke den Hebel zur Gestaltungsmacht in der Hand. Bekommt er ihn nicht, wäre es ein Pyrrhussieg, der seinen Vorruhestand einleitete. In der Bundespartei steht längst die nächste Generation bereits, um zu übernehmen. Höcke hätte seine Schuldigkeit getan. 

Christian Lindner: Der FDP-Chef und gleich drei spannende Fragen

Für den FDP-Chef hält der Sonntag gleich drei spannende Fragen bereit. Frage 1: Setzt seine Partei ihre Niederlagenserie ungebremst fort? Bei allen sieben Landtagswahlen seit der Bundestagswahl hat die FDP verloren: bei zweien flogen sie aus der Regierung, bei vieren flog sie aus dem Landtag (wie nun wohl in Thüringen) oder blieb weiterhin draußen (wie nun wohl in Sachsen).

Die FDP verkommt allmählich zur Grande Dame ohne Unterleib. Frage 2 lautet: Wie lange schaut Lindners Partei dem eigenen Siechtum tatenlos zu? Und eines ist Ampel-Gesetz: Wenn es in der FDP unruhig wird, herrscht in der Koalition schnell Sturm.

Unangenehm wird es für Lindner paradoxerweise wohl nur, wenn die Liberalen in Thüringen erfolgreich abschneiden. Die befinden sich seit der unseligen Wahl Thomas Kemmerichs zum Kurzzeit-MP (mit Stimmen der AfD!) in Ungnade. Darum gab es aus Berlin weder Geld noch gemeinsame Auftritte. Frage 3 lautet also: Was, wenn letzteres sogar hilfreich war?

Kemmerich Kubicki 9:15

Robert Habeck: Geringe grüne Erwartungen, trotzdem Schmerzen

Schon immer haben die Grünen außerhalb der Städte, gerade in den neuen Ländern, so ihre Schwierigkeiten. Die Erwartungen sind also gering – einerseits gut für Robert Habeck und die Grünen. So steht, zumindest aus bundespolitischer Sicht, für Partei und ihren wahrscheinlichen Spitzenkandidaten für den Bundestagswahlkampf nur wenig auf dem Spiel.

Jeder Wiedereinzug in einen der Landtage wäre ein Erfolg. In Sachsen könnte das auch dank einer besonderen Regelung klappen: Erringen die Grünen zwei Direktmandate, etwa in Leipzig und Dresden, ziehen sie ein, selbst wenn sie insgesamt unter der Fünfprozent-Hürde bleiben. 

Trotz der geringen Erwartungen muss Habeck die desolate Lage der Grünen in Thüringen und Sachsen schmerzen. Schließlich ist das meilenweit davon entfernt, wo Habeck seine Partei eigentlich sehen will: verankert in der Breite der Gesellschaft. Während der bisherigen Regierungszeit in der Ampel hat dieser Anspruch nicht gefruchtet. Den Grünen schlägt vielerorts tiefe Ablehnung entgegen – nicht nur, aber auch, wegen Habecks aus machtpolitischer Sicht verheerendem Heizungsgesetz. Für Habeck dürften die Landtagswahlen also eines von vielen Vorzeichen dafür sein, wie schwer der Bundestagswahlkampf werden wird.