Zazu-Darsteller Joachim Benoit verrät, wie sich das Hamburger Musical „Der König der Löwen“ immer weiter verändert.
Niemand verkörpert den aufgedrehten Nashornvogel Zazu so lange wie Joachim Benoit. Er spielt die Figur in Disneys „Der König der Löwen“ seit der Deutschlandpremiere des Musicals in Hamburg im Dezember 2001. Nun hat Benoit mit 8.500 Vorstellungen ein besonderes Jubiläum zu feiern.
Im Interview erklärt der Schauspieler das Erfolgsgeheimnis der Show von Regisseurin Julie Taymor mit Musikstücken von Elton John und Tim Rice sowie Lebo M und Hans Zimmer. Außerdem verrät Benoit, wie sich das Musical im Laufe der letzten über 20 Jahre verändert hat.
Glückwunsch zum Showjubiläum, Herr Benoit: 8.500 Mal spielten Sie bereits Zazu in „Der König der Löwen“. Feiern Sie diesen Meilenstein?
Joachim Benoit: Nicht direkt. Wir haben hier aber immer wieder Party-Events für alle, zum Beispiel bei Jubiläen der Show. Dass es für mich so viele Auftritte werden, hätte ich vor über 20 Jahren auch nie gedacht. Ich feiere daher nicht die 8.500. Show, ich feiere jede Show.
Können Sie sich noch daran erinnern, was Ihnen vor Ihrem ersten Auftritt als Zazu durch den Kopf ging?
Benoit: Das war damals ein ganz besonderer Moment: Diese große Show kam nach New York und London als dritte Produktion und erstmals in einer Übersetzung nach Deutschland. Das führte zu einem Mega-Hype. Sechsmal war ich beim Vorsprechen, und als ich die Rolle schließlich bekam, war das ein tolles Gefühl. Dazu gesellten sich aber auch Aufregung und Respekt. Ich hatte die Show ein Jahr nach ihrer Premiere am Broadway gesehen und später auch in London, als ich für Kostümproben dorthin reiste, nachdem ich meinen Vertrag unterzeichnet hatte. Dort ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, was ich nun alles lernen muss. Ich war, wie wir alle, kein Puppenspieler und hatte großen Respekt davor.
Hatten Sie bei der Premiere Lampenfieber?
Benoit: Nein, ich bin kein Lampenfiebertyp. Ich finde mich immer zurecht und kann gut improvisieren, zudem werden solche Shows über eine lange Zeit geprobt, acht Wochen waren es damals. Am Ende wusste ich, dass ich mir vertrauen konnte und immer weiß, wann ich wo sein soll. Dadurch fällt das Lampenfieber weg und ich kann die Auftritte genießen. Ich bin vor den Shows damals wie heute positiv aufgeregt und elektrisiert, aber nicht nervös.
An welchen unvergesslichen Moment als Zazu denken Sie besonders gerne zurück?
Benoit: Das war tatsächlich damals die Premiere, als wir zum ersten Mal vor diesem großen Publikum spielten. Vertreter von Walt Disney, die „Der König der Löwen“-Regisseurin Julie Taymor, viele Stars und das Fernsehen waren da. Ich hatte schon Premieren erlebt, aber das hatte damals eine gigantische Dimension. Eine weitere große Party haben wir an unserem zehnjährigen Jubiläum gefeiert. Die Leute wussten, dass ich von Anfang an dabei bin, und haben für mich applaudiert. Das war eine besondere Wertschätzung.
Seit 2001 spielen Sie stets vor ausverkauftem Haus, Millionen Menschen reisen nach Hamburg, um das Musical, das weltweit über 70 Auszeichnungen einheimste, zu sehen. Was ist das Erfolgsgeheimnis von „Der König der Löwen“?
Benoit: Das hängt zum einen mit der bekannten, berührenden Geschichte zusammen, die schon mehrmals von Disney verfilmt wurde und die jedes Kind kennt. Hinzu kommt das Afrikanische, die Musik, Instrumente wie Marimbas, und die Rhythmen, die anders sind als in typischen Musicals. Dieser Sound, die Geschichte und natürlich auch die Visualität dieser Show, die den Zuschauer mit Bildsprache in epischer, theatralischer Form, Puppenspiel und Schattenspiel überwältigt, machen den Erfolg aus. Außerdem ist das Musical sehr handgemacht. Es funktioniert alles mit Papier, Puppen, Stoffen. Der Zuschauer kann mit den eigenen Augen die Mechanismen erkennen, beispielsweise wie wir die Puppen bedienen.
Was fasziniert Sie persönlich am meisten an der Geschichte?
Benoit: Die Geschichte ist immer wieder berührend. Sie ist allgemeingültig und handelt von dem, was jeder von uns durchlebt: Erwachsenwerden, seinen Weg finden. Außerdem bleibt die Geschichte immer aktuell, und deckt viele Belange ab, die uns heute beschäftigen, wie Klimawandel oder Personen, die sich um Regierungsämter bemühen und wie Scar, der böse Onkel, sich nicht an das Gleichgewicht und an den Respekt im Umgang miteinander und der Natur halten wollen. Rassismus, Flucht, Vertreibung, all das bildet die Geschichte in dem Schicksal von Simba und Nala ab, die vertrieben werden von einem Despoten. Sie fliehen, sie müssen zurückkommen und wieder für die Demokratie kämpfen. Wenn man die Show so sieht, ist sie absolut aktuell und weder romantisch noch altmodisch. Es sind wahre Begebenheiten.
Wie hat sich die Show im Laufe der letzten über 20 Jahre in Hamburg verändert?
Benoit: Jede Rolle hat ihre eigenen, besonderen Momente. Vor allem Zazu, der sehr komödiantisch angelegt ist, und manchmal auch ein bisschen ausbricht aus der Handlung. Es gibt die „Signature-Szene“, in der ich mich bei meinem Dienstherrn, König Mufasa, entschuldige, dass mir die Kinder entglitten sind. Die nehmen wir regelmäßig in die Hand, gemeinsam mit Walt Disney, und verändern sie. Oder es kommt ein neuer Mufasa-Darsteller hinzu, der in der Szene andere Akzente setzt und ich reagiere darauf. Eine weitere dieser Szenen ist im zweiten Akt, in der Zazu gefangen ist und vom bösen Scar getriezt wird. Auch hier gehen wir immer wieder ran und nehmen neue Songs rein. Es ist also nicht in Beton gegossen und das gilt für viele andere Szenen der Show und für andere Charaktere auch. Natürlich bleiben der große Rahmen und die Geschichte gleich, aber diese „Signature-Momente“, die beleben wir immer jedes Jahr frisch.
Wie viel von Zazus Charakter steuern Sie selbst bei?
Benoit: Da stelle ich auch eine Ausnahme dar, in der Rolle ist ganz, ganz viel von mir drin. Das liegt daran, dass ich der erste Darsteller war, der die Rolle in einer nicht-englischsprachigen Version in die Hand genommen hat und sie auch prägen durfte. Manche Sachen, vor allem Comedy, funktionieren in der direkten Übersetzung nicht. Das Team hat damals erkannt, dass ich ein Händchen für Improvisation und Comedy habe, und ich durfte dann meine eigenen Ideen einbringen. Ich habe die deutsche Version von Zazu mit meiner Persönlichkeit, meinem Handwerk, Charakter und Talent maßgeblich geprägt. Das war ein schönes Geschenk.
Wie viel Geschicklichkeit und körperliche Fitness sind nötig, um die Puppe zu händeln?
Benoit: Man muss sehr fit und schnell sein. Das ist ein Charakter, der abgeht, der schnell plappert und rennt. Zazu ist von den Hauptrollen die kleinste Puppe der Show, aber sie ist die hochkomplexeste Puppe, mit dem größten Ausdrucksrepertoire. Er ist wie ein lebender Vogel, sogar die Augen sind animiert und können aufreißen, genau wie der Schnabel. Man muss sehr geschickt sein, sehr genau auch wissen, wie sich die Bilder ins Auditorium reflektieren. Und ich muss auch deswegen sehr fit sein, weil ich ungefähr zehnmal in der Show niedergetreten werde, hinfalle, mich abrollen muss und ohne Hände – weil ich gleichzeitig die Puppe bediene -, wieder aufstehen muss. Ich bin sehr fit und mache viel Sport, aber ohne Druck, Bewegung brauche ich immer schon.
Sie bekommen jeden Tag viel Applaus und Standing Ovations. Werden Sie in Hamburg auf der Straße erkannt?
Benoit: Selten. Ich nutze normalerweise nicht das Boot-Shuttle der Zuschauer, um anzureisen. Außerdem trage ich so viel Make-up in der Show, dass mich auf der Straße niemand erkennt.
Lesen Sie Online-Kritiken zur Show und tauschen Sie sich mit Fans aus?
Benoit: Online-Kritiken schaue ich mir nie an. Aber ich habe seit Neuestem einen Instagram-Account. Da komme ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben ein bisschen in Kontakt mit Fans, was auch ganz nett und motivierend ist. Ich bin noch am Lernen, wie das alles technisch funktioniert, aber ich werde besser.
Würden Sie Ihre Zazu-Rolle bei „Der König der Löwen“ als Ihren Traumjob bezeichnen?
Benoit: Ja, auf jeden Fall. Ich liebe die Show und mache das sehr, sehr gerne. Auch das soziale Gefüge drumherum liebe und brauche ich. Es sind so viele Leute, nicht nur die Darsteller, auch hinter der Bühne, die lange dabei sind. Zudem gibt es für mich die Herausforderung, dass ich mit Timon auch eine weitere Rolle ab und zu übernehme. Dann muss ich mich wieder ganz anders einstellen und bin ein bisschen aufgeregter oder nervöser. Insgesamt liegt es mir als Darsteller am Herzen, in einer guten Produktion zu sein, bei der alles stimmt. Bei „Der König der Löwen“ habe ich ein tolles Gefüge, eine Erfolgsproduktion, in der Inszenierung ist alles auf dem Punkt. Dass ich so lange dabeibleibe, war allerdings anfangs nicht geplant. Es ist die absolute Ausnahme. Ich bin der längste Zazu weltweit.
In welchem anderen Musical würden Sie gerne einmal eine Rolle übernehmen?
Benoit: Ich sehe mir oft Musicals in Amerika oder Großbritannien an, die man in Deutschland nicht spielen würde oder könnte, weil die Kultur und der Zugang hier dafür nicht gegeben sind. Das sind Shows von Stephen Sondheim, Bob Fosse, starkes amerikanisches Material. Bei „Sweeney Todd“ oder „Into the Woods“ würde ich gerne mitspielen. Das ist meine Prägung, manchmal werde ich da sehnsüchtig. Neulich habe ich Daniel Radcliffe in „Merrily We Roll Along“ am Broadway gesehen. Das war auch sensationell. Es sind noch mal andere Theater-Geschichten, wie wir sie hier nicht kennen. Bei uns muss es doch eher massenkompatibel sein, damit es im großen Format gespielt werden kann.