Das massive Erstarken von AfD und BSW bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen erschüttert die politische Szene in Berlin. Angesichts kritischer Fragen auch an die Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab es am Montag aus der SPD-Spitze Aufrufe zur Geschlossenheit. Einige FDP-Politiker stellten die Regierungsbeteiligung der Partei offen in Frage.
Scholz selbst wertete die Wahlergebnisse als „bitter“. Er pochte auf eine weiterhin klare Abgrenzung zu der in Teilen rechtsextremen AfD: „Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden“, betonte der Kanzler im Online-Netzwerk Facebook. Die AfD „schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes“.
Juso-Chef Philipp Türmer wollte sich nicht darauf festlegen, dass Scholz für die Bundestagswahl 2025 erneut Kanzlerkandidat seiner Partei wird. Zunächst müssten Inhalte der Partei geklärt werden, erst dann „auch Personalfragen“, sagte er RTL und ntv. Parteichefin Saskia Esken rief sowohl die eigene Partei wie auch die Ampel-Koalition zur Geschlossenheit auf. „Olaf Scholz ist unser starker Bundeskanzler und er wird unser starker Kanzlerkandidat sein“, stellte sie klar.
Grünen-Chefin Ricarda Lang wertete das Wahlergebnis als Folge einer unzureichenden Reaktion der Ampel-Parteien auf große Verunsicherung der Menschen. Es sei nicht gelungen, „eine neue Stabilität in diesem Land zu verankern“, sagte sie in Berlin. Künftig müssten die Regierungsparteien vor allem stärker die „soziale Sicherheit nach vorn stellen“. Auch der Klimaschutz müsse „sozialer werden“.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sieht im Ausgang der Landtagswahlen eine Folge der Politik der „Ampel“. Diese sei „zurecht abgestraft“ worden, weil sie an den Menschen vorbei regiere, sagte sie in Berlin. Wagenknecht legte Scholz nahe, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Linken-Parteivize Katina Schubert warf allerdings im Sender Phoenix dem BSW vor, selbst rechtspopulistische Themen befeuert zu haben.
Die FDP machte für ihren eigenen Absturz das schlechte Image der Ampel-Koalition verantwortlich. „Die FDP befindet sich in der Defensive als Teil einer Koalition, die bei den Bürgern äußerst unbeliebt ist“, sagte Parteichef Christian Lindner in Berlin. Gleichwohl will er an dem Regierungsbündnis festhalten, um noch Projekte wie die Wachstumsinitiative und die Reform der privaten Altersvorsorge umzusetzen. Ein rasches Ende der „Ampel“ forderte hingegen Thüringens gescheiterter FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich. Zuvor hatte dies schon Bundesparteivize Wolfgang Kubicki angedeutet.
AfD-Chefin Alice Weidel erhob für ihre Partei nach deren Wahlerfolgen vom Sonntag den Anspruch auf Regierungsbeteiligungen. „Der Wähler hat uns in Thüringen und Sachsen einen klaren Regierungsauftrag gegeben“, sagte sie in Berlin. Das Wählervotum dürfe nicht ignoriert werden.
Anspruch auf die Regierungsführung in beiden Ländern erhebt die CDU. Sie liegt in Sachsen knapp vor der AfD, in Thüringen allerdings deutlich dahinter. Die CDU sei nun in den beiden Ländern die „einzig verbliebene Volkspartei der demokratischen Mitte“, sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn im ZDF.
Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja rief seine Partei auf, ihren Unvereinbarkeitsbeschluss zur Zusammenarbeit mit der Linkspartei zu überdenken. „Die Wahrheit ist doch, dass die Linke in Ostdeutschland in großen Teilen eine konservative Sozialdemokratie ostdeutscher Prägung ist“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). In Thüringen ist ohne AfD und Linke keine parlamentarische Mehrheit für eine Regierungsbildung möglich.
Die AfD wurde in Thüringen laut dem vorläufigen Endergebnis mit 32,8 Prozent stärkste Kraft. Die CDU folgt mit deutlichem Abstand mit 23,6 Prozent. Das BSW erreichte 15,8 Prozent, die Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow 13,1 Prozent und die SPD 6,1 Prozent. Die Grünen verpassten mit 3,2 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag, ebenso wie die FDP mit nur noch 1,1 Prozent.
In Sachsen blieb die CDU mit Ministerpräsident Michael Kretschmer mit 31,9 Prozent stärkste Partei – dicht gefolgt von der AfD mit 30,6 Prozent. Das BSW erreichte hier 11,8 Prozent, die SPD 7,3 Prozent und die Grünen 5,1 Prozent. Die Linke verfehlte mit 4,5 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde, zieht aber wegen zwei gewonnener Direktmandate dennoch in den Landtag ein. Die FDP erreichte nur knapp ein Prozent.