Anfang 2020 breitete sich das Corona-Virus weltweit aus. Eine der zuständigen EU-Behörden hielt die Einschleppung des Virus in die EU nur Wochen vor dem ersten Fall in der EU für nicht wahrscheinlich.
Beim Ausbruch des Corona-Virus in Europa sind die zuständigen medizinischen Agenturen der EU nicht ausreichend auf eine anhaltende Pandemie vorbereitet gewesen. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat den Ernst der Lage zunächst unterschätzt, wie aus einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs (EuRH) hervor geht.
Das ECDC, das für die Erkennung und Bewertung von Gesundheitsbedrohungen zuständig ist, hatte noch am 9. Januar eine Einschätzung veröffentlicht, wonach eine Einschleppung des Virus in die EU für nicht sehr wahrscheinlich gehalten wurde. Rund zwei Wochen später gab es die ersten bestätigten Fälle in der EU. Das ECDC habe zudem erst am 12. März 2020 eingeräumt, dass unverzüglich Maßnahmen nötig seien, drei Tage nachdem Italien bereits einen nationalen Lockdown verhängt habe.
Fehlende Teststrategie
Risikobewertungen, Leitlinien und für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen seien mitunter zu spät herausgegeben worden, urteilt der Rechnungshof in seinem Bericht. Die Arbeit des Zentrums sei außerdem durch eine fehlende EU-weite Teststrategie und einen fehlenden Ansatz für die Zuordnung von coronabedingten Todesfällen erschwert worden. Daraus folgte den Angaben zufolge eine geringe Qualität der Daten. Zuverlässigere Methoden wie Analysen der Viruskonzentrationen im Abwasser hätten häufiger eingesetzt werden können, betonen die Prüfer.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), die für die Zulassung neuer Arzneimittel zuständig ist, reagierte laut Angaben des Rechnungshofs im Allgemeinen zwar gut auf die Pandemie, versäumte aber, klinische Versuche in der EU zu fördern.
Lehren aus der Pandemie ziehen
„Wie viele andere Einrichtungen auch wurden die medizinischen Agenturen der EU von der Wucht der sich rasch ausbreitenden Corona-Pandemie überrascht“, sagt João Leão vom Europäischen Rechnungshof. Zwar hätten das ECDC und die EMA die Situation letztlich gut bewältigt, doch habe die Pandemie die bestehenden Mängel und Lücken sichtbar gemacht. Beide Einrichtungen bräuchten einen „Booster“.
„Vier Jahre später müssen die aus der Pandemie gezogenen Lehren nun wirksam auf EU-Ebene umgesetzt werden, damit sich die Geschichte nicht wiederholt“, sagt Leão. Einige der seitdem ergriffenen Maßnahmen, wie etwa neue Arzneimittelvorschriften, begrüßt der Rechnungshof.
Die Schaffung einer dritten medizinischen Agentur habe den organisatorischen Rahmen mit sich überschneidenden Zuständigkeiten aber noch komplexer gemacht. 2021 war die Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) eingerichtet worden. Zuständigkeiten überschnitten sich laut Angaben des Rechnungshofs jedoch teilweise mit denen des ECDC. Die Prüfer fordern daher eine enge Zusammenarbeit, um Doppelarbeit zu vermeiden.