Eine Koalition mit dem BSW? Dann stünde seine Partei am Abgrund, glaubt der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke im stern-Interview. Höcke könne man auch anders stoppen, sagt er.
Her Radtke, Sie und weitere CDU-Politiker wollen mit einer Initiative Koalitionen mit dem BSW verhindern. Warum?
Das Bündnis Sahra Wagenknecht steht in der Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch mit Blick auf Europa gegen alles, was die DNA der CDU ausmacht. Und auch gegen das Erbe von Konrad Adenauer und Helmut Kohl. Das ist eine Grundsatzfrage. Eine formalisierte Zusammenarbeit mit der stalinistischen Kaderpartei BSW würde die Union zerreißen.
In Thüringen und Sachsen geht es aber nicht um Außen- oder Europapolitik.
Politik in den Bundesländern passiert nicht unter einer Käseglocke. Sie hat Auswirkungen auf die Bundesebene. Bringen wir bald auf Druck von Sahra Wagenknecht hin Anträge zur Ukraine oder zur Einführung einer Vermögenssteuer in den Bundesrat ein? Dafür fehlt mir die Fantasie. Frau Wagenknecht hat ihre Bedingungen für Koalitionen, auch heute erneut, deutlich gemacht. Sie erwartet Signale zu Russland und zur Ukraine.
Wagenknecht lehnt Waffen-Lieferungen an die Ukraine und die Stationierung weitreichender US-Raketen auf deutschem Boden ab.
Ihr geht es nicht um Lösungen für die Probleme der Menschen in Sachsen und Thüringen. Sie betreibt einfach ihr Spiel im Sinne von Wladimir Putin.
Die BSW-Mitglieder sind handverlesen von Frau Wagenknecht
In Thüringen und Sachsen würde aber nicht Wagenknecht in einer Regierung sitzen, sondern Landespolitiker des BSW.
Das stimmt, aber ihre Partei ist ein in sich geschlossener Betrieb. Deutschlandweit hat das BSW 650 Mitglieder. Die sind handverlesen von Frau Wagenknecht und ihrem Mann Oskar Lafontaine. Da darf man sich überhaupt keine Illusionen machen!
Mit wem soll die Union in Thüringen und Sachsen denn dann regieren?
Ich will, dass Michael Kretschmer sächsischer Ministerpräsident bleibt und in Thüringen und Brandenburg Mario Voigt und Jan Redmann Ministerpräsidenten werden. Wir müssen uns fragen, wie wir das erreichen können. Und wie wir verhindern, dass Björn Höcke in Thüringen Ministerpräsident wird. Ich habe großen Respekt vor der komplexen Lage dort vor Ort.
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Das geht aber nur mit der Hilfe von Linke und BSW.
Linke und BSW haben erklärt, dass sie keinen AfD-Ministerpräsidenten wollen. Wenn die Wahl ansteht, sind sie herzlich eingeladen, den Kandidaten der stärksten Partei der politischen Mitte zu wählen. Das kann man auch ohne einen Koalitionsvertrag erreichen.
Ohne Zugeständnisse wird das nicht funktionieren.
Bei Hannelore Kraft in meinem Heimatland Nordrhein-Westfalen hat es auch funktioniert. Sie hat für die SPD von 2010 bis 2012 eine Minderheitsregierung geführt und sich von den Linken tolerieren lassen. Und sie wurde sehr erfolgreich wiedergewählt. Es gibt Wege jenseits formalisierter Zusammenarbeit.
Diese Partei hat das gleiche Ziel wie die AfD: die Zerstörung der CDU
Also bleibt nur eine Minderheitsregierung?
Ich will keine ungefragten Ratschläge erteilen an die, die vor Ort aus diesem Mist noch etwas machen müssen. Ich mahne die Bedeutung einer möglichen Zusammenarbeit mit dem BSW an. Es gibt andere Wege, die nicht dazu führen, dass es die Union zerreißt und gleichzeitig das BSW satisfaktionsfähig wird. Diese Partei hat das gleiche Ziel wie die AfD: die Zerstörung der CDU und ein anderes Deutschland.
Stichwort Linkspartei: Wäre es nicht an der Zeit, den Unvereinbarkeitsbeschluss mit ihr zu überdenken?
Man kann nur schwer erklären, warum man Gespräche mit Bodo Ramelow (Linke,Anm. d. Red.), einem gebürtigen westdeutschen Gewerkschaftsfunktionär in Thüringen ablehnt, aber gleichzeitig mit der ehemaligen kommunistischen Plattform seiner Partei reden will.
Ich bin kein Besser-Wessi
Schließen Sie eine Koalition mit der Linken genauso kategorisch aus wie eine mit dem BSW?
Es ist nicht mein Job, am Unvereinbarkeitsbeschluss zu rütteln. Das muss die gesamte Partei zu gegebener Zeit diskutieren. Davon abgesehen ist die Linke außerhalb von Thüringen weitestgehend politisch tot.
Die Initiative unterstützen lauter West-CDUler wie Sie. Sagen in der Union die Wessis den Ossis, wo es lang geht?
Ich bin weder Besserwisser noch Besser-Wessi. Ich schreibe den Bundesländern nicht vor, was sie zu tun und zu lassen haben. Aber wir sind eine Volkspartei. Da muss man auch mal zur Besonnenheit mahnen und sagen: Wisst ihr eigentlich, auf was ihr euch da einlasst?