Generaldebatte: Scholz schäumt, Merz trickst – die wichtigsten Takeaways

Wahlkampf-Feeling im Bundestag: In der Generaldebatte ziehen Olaf Scholz und Friedrich Merz übereinander her. Drei zentrale Lehren. 

1. Mehr Emotion, weniger Inhalt, Herr Scholz 

Huch, so kann er ja auch: Die Ampel-Reihen johlen vor Begeisterung, als Olaf Scholz sein Manuskript beiseitelegt und den Oppositionsführer gewissermaßen aus tiefstem Herzen angeht. Scholz‘ zentrale Punchline: „Sie sind der Typ von Politiker, der glaubt, mit einem Interview in der ‚Bild am Sonntag‘ hätten Sie schon die Migrationsfrage gelöst.“ Das sitzt.

Der Asyl-Deal zwischen Ampel und Opposition war tags zuvor geplatzt, die Union erklärte die Vorschläge der Regierung für unzureichend, die gemeinsamen Gespräche daraufhin für gescheitert. Ein Exit nach „Drehbuch“, kritisiert der Kanzler, Merz und die Union hätten sich in die Büsche geschlagen. Wir machen, ihr meckert nur – das ist die Botschaft. 

In diesen Momenten wirkt der Kanzler klar, kämpferisch, offensiv: So, wie ihn seine SPD haben will und nur selten zu hören bekommt, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Es ist der stärkste Teil seiner Rede. Die Passage, in der Scholz gewissenhaft aufzählt, was die Ampel alles erreicht habe, reißt dagegen niemanden aus dem blauen Sitzpolster. Modernisierung, Transformation, Wirtschaftsiniative: gähn. Die Ampel will Attacke vom Kanzler. 

2. Die Union will den Kanzler vorführen, macht aber einen strategischen Fehler

Tja, dieser kleine Trick ging eher nach hinten los. Traditionell eröffnet die größte Oppositionspartei die Generaldebatte, dann reagiert der Regierungschef. Statt Merz stand aber überraschend Alexander Dobrindt am Rednerpult, der CSU-Landesgruppenchef, um dem Kanzler einzuheizen: Null Wirtschaftswachstum, Null Prozent Zustimmung habe dessen Regierung – statt „Doppel-Wumms“ sieht Dobrindt hier nur eine „Doppel-Null“. 

Kommentar Merz hat überzogen, 20.35

Die Union wollte Scholz damit offenkundig überrumpeln, aus dem Konzept bringen – und zweimal in die Mangel nehmen. Die Änderung der Rednerreihenfolge erlaubte es Merz, auf die Rede des Kanzlers zu reagieren. Aber erst nach anderthalb Stunden. Ein taktischer Fehler.

Vor dem Unions-Fraktionschef konnten AfD, Grüne und FDP ihre Punkte machen. Merz ging den Kanzler zwar hart an, wies dessen „Drehbuch“-Vorwurf als „infam“ zurück, ließ sowieso keine Kritik an einer unzureichenden Migrations- und schlechten Wirtschaftspolitik der Ampel aus. Aber die Aufmerksamkeit bis zu seinem Auftritt, der ohnehin eher leiserer Natur war, ist da schon längst ermattet gewesen. 

3. Die Ampel rückt zusammen (nach rechts) 

Haushaltswoche, war da was? Tatsächlich liegt der Fokus der Generaldebatte auf der Migration, beinahe jede Rede beginnt mit diesem Thema. Der FDP-Fraktionschef Christian Dürr räumt das sogar unumwunden ein: Eine normale Haushaltsdebatte sei das nicht. 

Das ist wenig überraschend. Die Ampel will sich auf diesem Feld nun handlungsfähig zeigen, den Beweis dafür erbringen, dass ihr das Land eben nicht entgleitet, wie es ihr die Opposition vorwirft. Nach dem mörderischen Messeranschlag von Solingen und unter dem Eindruck der vergeigten Landtagswahlen in Ostdeutschland, hat die Ampel-Koalition im Eiltempo eine Reihe von Verschärfungen in der Asyl- und Migrationspolitik ins Werk gesetzt. Hier liegt die eigentliche Überraschung. 

10: Asylpolitik Faeser für Schnellprüfungen  Union unzufrieden – 9f2f29a1a483166d

Denn, erstens: Die Ampel kann, wenn sie will – sie rückt zusammen. Nach dem gescheiterten Asyl-Deal mit der Opposition, aber auch in der Generaldebatte. Gemeinsames Handeln sei jetzt gefragt, heißt es unisono aus der sonst eher vielstimmigen Koalition.

Und, zweitens: Sie rückt zusammen nach rechts. Zwar betonen alle Ampel-Parteien, dass reguläre Migration notwendig sei, Deutschlands Weltoffenheit unverhandelbar und Ausländerfeindlichkeit keinen Platz haben könne. Doch wenn SPD, FDP und selbst Grüne auf „effektive“ Zurückweisungen an den Grenzen abheben, ist auch klar, wem damit Protestpotenzial entzogen werden soll: der AfD. Vieles von dem, das die Ampel jetzt angeht, wäre noch vor wenigen Monaten kaum denkbar gewesen.