Regierungsbildung: Kontroverse: Reichen 44 Stimmen zum Regieren in Thüringen?

Nach der Landtagswahl gibt es ein Patt im Thüringer Landtag. Die von der CDU angestrebte Koalition mit BSW und SPD hat nur 44 von 88 Stimmen. Spielt die Linke doch noch eine Rolle?

Vor den Sondierungsgesprächen zwischen CDU, BSW und SPD ist die Debatte über die Rolle der Linken als mögliche Unterstützung einer solchen Koalition wieder entbrannt. Hintergrund ist, dass die drei Parteien, die kommende Woche eine Regierungsbildung ausloten, nur 44 von 88 Stimmen im Landtag haben – für eine Mehrheit fehlt ihnen also mindestens eine Stimme. Es müsse einen Gesprächsfaden mit der Linken geben, sagte SPD-Fraktionschef Lutz Liebscher in Erfurt. Die SPD wolle im Parlament nicht auf Entscheidungen mit wechselnden Mehrheiten angewiesen sein. 

Linke: „Die Brombeere braucht uns schon“

Bei den Sondierungsverhandlungen soll aus Sicht des SPD-Fraktionsvorsitzenden auch darüber gesprochen werden, „wie stellen sich die Partner den Umgang mit der Linken im Landtag vor“. Der Fraktionschef der Linken, Christian Schaft, ist nach eigenen Angaben gespannt, „wie die 44 mit uns das Gespräch suchen“. Mit Blick auf die Farbbezeichnung für eine schwarz-lila-rote Koalition sagte er: „Die Brombeere braucht uns schon. Demokratische Mehrheiten gibt es nur mit uns.“ Es gebe keinen Automatismus, dass sich die Linke enthalte, damit eine Koalition aus CDU, BSW und SPD ihre Projekte durch den Landtag bekomme. Schaft bekräftigte aber auch: „Wir werden mit der AfD nicht zusammenarbeiten.“ 

Eine andere Position vertritt der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland. Seiner Meinung nach braucht die von der CDU angestrebte Brombeer-Koalition keinen Tolerierungs- oder Duldungsvertrag mit der Linken. „Die 44 Stimmen, die CDU, BSW und SPD zusammen haben, reichen im Grunde“, sagte Oppelland der Deutschen Presse-Agentur. In Thüringen wird seit der Landtagswahl vor knapp vier Wochen über Konsequenzen aus dem Patt diskutiert.

Oppelland: AfD und Linke stimmen kaum zusammen ab

Oppelland begründete seine Einschätzung, dass die Linke nicht zwingend ins Boot geholt werden muss, mit der Unterschiedlichkeit der mutmaßlichen Oppositionsfraktionen Linke und AfD. „Weil Linke und AfD kaum jemals im Landtag gemeinsame Sache machen, reichen die 44 Stimmen der Brombeer-Koalition theoretisch. Es muss nicht zwingend eine Duldung oder Tolerierung durch die Linke geben.“ Alle Landtagsparteien haben eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen, die in Thüringen erstmals die stärkste Fraktion in einem Landesparlament stellt. 

Aber auch Oppelland hält Gespräche mit der Linken für richtig. Die gebe es ja offensichtlich zwischen CDU-Fraktionschef Mario Voigt und Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bereits zum Haushalt 2025. Die Regierungsbildung in Thüringen ist auch so schwierig, weil die CDU nach einem entsprechenden Parteitagsbeschluss bundesweit eine Zusammenarbeit mit der AfD, aber auch mit der Linken ausschließt. 

Der Jenaer Politikwissenschaftler bekräftigte seine Haltung, wonach CDU, Sahra Wagenknechts BSW und SPD bei landespolitischen Themen „gar nicht so weit auseinander sind“. Das betreffe unter anderem die Bildungspolitik oder die innere Sicherheit. „Befindlichkeiten sind da etwas anderes.“

Voigt fehlte Amtsbonus

Den Grund für die besondere Stärke der AfD in Thüringen, die 32 Sitze im Landtag hat, sieht Oppelland darin, dass Ramelow im Gegensatz zu den Ministerpräsidenten in Brandenburg und Sachsen nicht der „Kristallisationspunkt der Anti-AfD-Wähler war“. Diese Rolle habe der Linke-Politiker 2019 in der Auseinandersetzung mit AfD-Chef Björn Höcke noch gehabt. „In diesem Jahr konnte er diese Rolle nicht ausfüllen, weil er kaum eine Option auf eine dritte Amtszeit hatte. Es war klar, dass ihm das BSW zu viele Stimmen wegnimmt.“ Der CDU-Vorsitzende Voigt habe versucht, die Rolle von Ramelow in Bezug auf die AfD einzunehmen. „Er hat das aber nicht geschafft, weil ihm der Amtsbonus fehlte.“

Die CDU wurde bei der Landtagswahl mit 23 Sitzen im Parlament zweitstärkste Partei, das BSW hat 15 Sitze, die Linke 12 und die SPD 6.