Vor mehr als einem Jahr ist der Tübinger Oberbürgermeister bei den Grünen ausgetreten. Eine Rückkehr schloss er danach nicht aus. Jetzt wird darüber geredet.
Die einen gehen, die anderen kommen – vielleicht: Inmitten der Turbulenzen rund um den Rückzug der Grünen-Spitze in Berlin will Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann über eine mögliche Rückkehr in die Partei reden. Am Mittwochabend hatte Kretschmann gesagt, dass er sich dessen Rückkehr wünsche. „Es wäre schön, wenn er wieder zurückkehrt“, sagte der Grünen-Politiker bei der Aufzeichnung des Podcasts „Alles gesagt?“ der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Stuttgart. Auf Nachfrage sagte Palmer der Deutschen Presse-Agentur dpa: „Bevor ich dazu etwas öffentlich sage, möchte ich mit Kretschmann in Ruhe sprechen.“
Kretschmann sagte, er sei nach wie vor in engem Kontakt mit dem inzwischen parteilosen Palmer – der Gesprächsfaden sei nie abgerissen. „Er ist ein toller Oberbürgermeister und hat seine Stadt messbar vorangebracht.“ Er wisse allerdings nicht, ob Palmer eine Rückkehr im Moment selbst wolle, sagte Kretschmann. „Aber es wäre aus meiner Sicht schön, wenn so etwas wieder in Gang käme.“ Die Grünen in Baden-Württemberg wollten dies nicht kommentieren: „Das ist tatsächlich kein Thema, das uns heute beschäftigt“, sagte eine Sprecherin.
Palmer: Rückzug des Vorstands der Grünen-Jugend historisch richtig
Nach den Rücktritten der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour kündigte der Vorstand der Grünen Jugend an, die Partei zu verlassen. Deren Ziel, einen neuen linken Jugendverband zu gründen, bezeichnete Palmer als „einen historisch richtigen Schritt, der mir für Grün große Hoffnung macht“.
Auf seiner Facebook-Seite schrieb Palmer weiter: „Meine alte Partei hat im letzten Jahrzehnt geradezu eine feindliche Übernahme von innen erlebt. Viele Urgrüne wurden an den Rand gedrängt oder wie in meinem Fall mit Ausschlusskampagnen überzogen.“ Nur vordergründig sei es dabei um einzelne angeblich rassistische Äußerungen gegangen. „Tatsächlich wollte die woke Bewegung die Grünen zu einer weiteren linken Partei umformen, die sie historisch nicht waren und für die es gar keinen Bedarf gibt. Es reicht völlig, eine linke Partei zu haben, die sich in klassischer Manier so zerstreitet, bis sie unter 5% liegt.“
Wer Politik gegen die Wirtschaft und mit Marx‘ Theorien machen wolle, so Palmer, sei bei einer grünen Partei völlig falsch aufgehoben. „Die Klimafrage ist dringend. Sie duldet keinen Aufschub für den Klassenkampf.“ Deswegen sei es gut, wenn jugendliche Klassenkämpfer ein eigenes Projekt aufmachten und das grüne Projekt von ideologischem Ballast befreien. „Es sind kluge Leute, in 20 Jahren werden die meisten ihre Irrtümer erkennen.“
Annäherung zeichnete sich ab
Eine Annäherung zwischen Palmer und seiner ehemaligen Partei gab es schon vor Monaten. So sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor einiger Zeit, er würde sich wünschen, dass es einen Weg zurück gebe. „Menschen für immer abschreiben, das sollte man ganz selten machen“, sagte der aus Baden-Württemberg stammende Grünen-Politiker bei einer Veranstaltung der „Zeit“ in Hamburg. Palmer kommentierte dies mit den Worten: „Eine Entwicklung, an deren Ende ich wieder respektiertes Mitglied der Grünen sein könnte, wäre für beide Seiten gut.“ Er schätze Özdemir sehr und freue sich über dessen versöhnliche Worte.
Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in Tübingen und eckt immer wieder mit politischen Aussagen an. Im Mai vergangenen Jahres war er nach einem Eklat um die Verwendung des N-Wortes, das viele als rassistisch werten, bei den Grünen ausgetreten. Schon vorher hatte seine Mitgliedschaft wegen anderer umstrittener Äußerungen geruht. Nach einer Auszeit änderte er unter anderem die Regeln für Kommentare auf seinem Facebook-Profil.