Paragraf 218: Rot-Grün für mehr Selbstbestimmung bei Schwangerschaften

Schwangere sollen überall im Land einen besseren Zugang zu Beratung und medizinischer Versorgung bekommen, fordern SPD und Grüne. Für Diskussionen sorgt vor allem ein Appell zum Thema Abtreibungen.

SPD und Grüne im niedersächsischen Landtag setzen sich für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen ein. „Es ist nach wie vor so, dass das Recht auf Selbstbestimmung bezüglich ihres Körpers und ihres Lebensentwurfs für Frauen in Deutschland nicht gegeben ist“, sagte die Grünen-Abgeordnete Tanja Meyer. Das liege auch daran, dass Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 218 im Strafgesetzbuch weiterhin rechtswidrig sind.

Über die Abschaffung des Paragrafen wird seit Jahren gestritten. Tatsächlich bleibt ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen bereits straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Im April hatten Expertinnen der Ampel-Regierung darüber hinausgehend empfohlen, Abtreibungen in den ersten Wochen nicht mehr unter Strafe zu stellen. 

Frauen brauchten Gesetze, Ansprechpersonen und Strukturen, die sie nicht stigmatisierten, forderte die Grünen-Politikerin Meyer. Oft fehle es jedoch am Zugang zu diesen Informationen und Strukturen. Die SPD-Abgeordnete Karin Emken sagte, es sei ein Menschenrecht, selbstbestimmt und frei über den eigenen Körper entscheiden zu können: „Es bedeutet, dass eine Frau selbst und frei entscheidet, wann, wie oft und mit wem an ihrer Seite sie schwanger werden will oder nicht.“ 

AfD: „Leben beginnt bei der Empfängnis“

Aus der Opposition gab es scharfe Kritik. Vanessa Behrendt von der AfD sagte, Abtreibungen seien der größte Menschenrechtsverstoß unserer Epoche. „Ungeborene Kinder sind unschuldige Menschen. Deshalb töten Abtreibungen unschuldige Menschen“, sagte die AfD-Politikerin. „Leben beginnt bei der Empfängnis, und kein Mensch kann etwas für die Umstände seiner Zeugung.“

Die CDU kritisierte eine Vermischung von Themen seitens der Regierungsfraktionen. Schwangerschaftsabbrüche stünden in dem Antrag zwischen Hebammenversorgung, Mutterschutz und Verhütung, bemängelte die Abgeordnete Laura Hopmann. Die Selbstbestimmung der Frau und den Schutz des Lebens gleichermaßen zu berücksichtigen, sei ein Drahtseilakt, „den die aktuelle rechtliche Regelung überwiegend gut regelt“, sagte Hopmann.

Vor der Debatte hatten Abgeordnete von SPD und Grünen auf den Stufen zum Landtag Schilder mit dem feministischen Slogan „My body, my choice“ („Mein Körper, meine Wahl“) hochgehalten.

Rund 9.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr 

Der Paritätische Wohlfahrtsverband schloss sich der Forderung, den Paragrafen 218 abzuschaffen, an. „Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine Gesundheitsleistung, die elementar für die Selbstbestimmung der Frau ist“, sagte die Landesvorsitzende Kerstin Tack. Derzeit gebe es aber viele Hürden, weil immer weniger Ärzte Abbrüche durchführten und das Thema kein regulärer Bestandteil der ärztlichen Ausbildung sei. „Es ist nicht akzeptabel, dass Frauen in Not länger nach einer Versorgung suchen müssen, weil es an Fachkräften mangelt oder Wartefristen den Prozess verzögern“, sagte die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete weiter.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben im vergangenen Jahr 8.975 Frauen aus Niedersachsen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Die Zahl bewegt sich seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau.