Zukunftstechnologie: Lithium-Experte erklärt, wie Europa das Akku-Rennen gewinnen kann

Dirk Harbecke, CEO von Rock Tech Lithium, baut einen sogenannten Lithiumkonverter in Brandenburg. Er sagt, in Deutschland gebe es eines der besten Chemie-Know-hows weltweit.

 

Akkuspeicher zählen in China zu den entscheidenden Zukunftsfeldern der Wirtschaft. Die Volksrepublik hat eine durchgehende Wertschöpfungskette von den Rohstoffen bis hin zu fertigen Akkuzellen aufgebaut, denn Peking hat erkannt: Ohne Batterien gibt es keine E-Mobilität; Strom aus Wind- und Solaranlagen benötigt die Speicher, um die schwankende Ausbeute auszugleichen; ohne Speicher versiegt der Solarstrom, sobald die Sonne untergeht. Europa muss in diesem Bereich aufholen, wenn es nicht in eine gefährliche Abhängigkeit geraten will.

Europa braucht Zugriff auf Lithium

Zwar werden in der EU Akkufabriken gebaut, aber ebenso wichtig ist es, sich relevante Lithium-Vorkommen zu sichern. Rock Tech Lithium beutet eine Mine in Vancouver aus und errichtet den ersten Lithiumkonverter in Deutschland. Darin wird das geförderte Metall so aufbereitet und veredelt, dass es für die Batterieproduktion verwendet werden kann. Ein Anfang ist gemacht.

Herr Harbecke, bei der klimaneutralen Energiewende kommt der Akkutechnik eine zentrale Rolle zu. EU-Europa muss dabei aufholen – in allen Bereichen der Batterieproduktion, etwa der Förderung von Rohstoffen wie Lithium und der Verarbeitung. Wo steht Europa derzeit?
Im europäischen Raum wird aktiv am Aufbau der Batteriewertschöpfungskette gearbeitet. Noch wird die Batterieproduktion überwiegend von asiatischen Herstellern betrieben. Erste Lithiumproduktionen im europäischen Raum liegen in der Zukunft. Daher ist gerade jetzt die Verarbeitung und das Recycling von Lithium, der Fokus von Rock Tech, wichtig für den Aufbau einer europäischen Wertschöpfungskette.

Dirk Harbecke ist CEO von Rock Tech Lithium. Ohne Lithium können keine Batterien gebaut werden. Für das Erreichen der Klimaziele muss die Herstellung von Lithium stark gesteigert werden
© Rock Tech Lithium

In Serbien gibt es Widerstand gegen den Abbau von Lithium. Wie wird es abgebaut und wie wird die Landschaft später aussehen?
Zu den konkreten Ausbauplänen von Rio Tinto in Serbien liegen uns keine ausreichenden Informationen vor. Unter der Voraussetzung, dass beim Abbau der dortigen Lithiumreserven höchste soziale und ökologische Standards eingehalten werden, unterstützen wir grundsätzlich die lokale Gewinnung kritischer Rohstoffe.

Die Förderung von Rohstoffen ist wichtig, um einen Bestand an Batterien aufzubauen. Aber wie viel Rohstoffe verbraucht eine Batterie endgültig und wie viel kann wiederverwendet werden?
Bei einer Batterie mit einer Energiedichte von 250 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) beträgt die Gesamtmasse der Batterie, die zur Speicherung von einer Kilowattstunde (kWh) Energie benötigt wird, 4 Kilogramm. Dies verteilt sich in etwa zu 60 Prozent auf die Kathode und 40 Prozent auf die Anode. Schlüsseln wir einmal die Kathode (etwa 2,5 Kilogramm) auf. Das sind Lithium (Li) 6 Prozent oder 150 Gramm, Nickel (Ni) 75 Prozent oder 1850 Gramm, Mangan (Mn) 10 Prozent oder 250 Gramm, Kobalt 10 Prozent oder 250 Gramm. Bei der Anode, insgesamt 1,6 kg, kann man das nicht pauschal sagen. Alle genannten Rohstoffe können vollständig wiederverwertet und in den Kreislauf zurückgeführt werden.

Neue Techniken verlängern die Lebensdauer von Batterien und Akkus. Ist die Sorge vor dem Akkutod bei Autos unbegründet? In welchem Rahmen bewegen wir uns bei Lebensdauer bzw. Ladezyklen?
Die Angst vor dem Akkutod bei Autos ist unbegründet. Die Zahlen eines großen Elektroautoherstellers sprechen eine deutliche Sprache. Laut Tesla Impact Report 2023 beträgt der durchschnittliche Kapazitätsverlust der Batterien beim Model 3 und Model Y nach 200.000 Meilen 15 Prozent. Ähnlich sind die Zahlen für das Model S, das bereits über zehn Jahre alt ist. Wir gehen davon aus, dass neuere Batteriesysteme zum Beispiel in BMW- und Mercedes-Fahrzeugen ihre Reichweite noch besser halten werden. Nach dem Volllastbetrieb in Fahrzeugen können diese Batterien in Batteriespeichersystemen als zweite Nutzung weiter dienen.

Beim Stichwort Batterie denken wir zunächst an E-Mobilität. Damit regenerative Energie funktionieren kann, muss der grüne Strom aber gespeichert werden. Wann werden in der EU-Großspeicher gebaut? Wie schätzen sie den Bedarf ein? 
Die EU geht in ihren Mitteilungen davon aus, dass ab 2030 voraussichtlich etwa 200 Gigawatt Speicherkapazität benötigt werden. Heute gibt es etwa 60 Gigawatt Kapazität. Das Ziel für die Produktion von grünem Strom ab 2030 ist eine Kapazität von einem Terrawatt, also 1000 Gigawatt in Europa. Das bedeutet, dass Speicher für 20 Prozent der erzeugten Energie vorhanden sein soll. Lithium Krise, 22.15

Strom zu speichern, ob mobil oder stationär, ist eine entscheidende Schlüsseltechnologie. Hat die EU eine Chance hier mit Asien und den USA mitzuhalten? Was muss verbessert werden?
Europa hat das Potenzial, mit Asien und den USA mitzuhalten. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, sind massive Investitionen in Forschung und Entwicklung, ein echtes politisches Engagement sowie ein starkes Engagement auch der großen Energieversorger und Automobilhersteller erforderlich.

Sie bauen einen Lithium-Konverter in Brandenburg. In einfachen Worten: Wie funktioniert so eine Anlage und wo sind die Herausforderungen?
Der Gesamtprozess lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Rohstoff Spodumenkonzentrat wird erhitzt, gemahlen und geröstet, wodurch Lithiumsulfat entsteht. Anschließend wird Lithiumhydroxid durch Zugabe von Chemikalien, Abtrennung von Fällungsprodukten und Konzentration der Lösung hergestellt. Im letzten Produktionsschritt entsteht durch Kristallisation und Trocknung batterietaugliches Lithiumhydroxid. Herausforderungen bei der Produktion sind die Logistik, die kontinuierliche Sicherstellung der Produktqualität und -reinheit und Verwertung der Nebenprodukte.

Wann rechnen Sie mit dem Beginn der Produktion?
Mit dem Bau des Gubener Lithium-Konverters beginnen wir Anfang 2025. Die Bauphase wird ungefähr 24 Monate dauern. Wir gehen davon aus, dass wir bereits während der Bauphase mit dem Hochfahren der Anlage beginnen und somit im ersten Halbjahr 2027 batteriefähiges Lithiumhydroxid produzieren können.

In welchem Maßstab hilft so ein Konverter, sich von Ländern wie Australien abzugrenzen? Die EU hat Ziele – 40 Prozent des Bedarfs sollen inländisch hergestellt werden, wie viele Anlagen sind dafür notwendig?
Als Grundlage für eine echte Kreislaufwirtschaft benötigt Europa eigene Lithiumkonverter, um auf sicher und umweltverträglich gewonnenes Lithium zurückgreifen zu können. Um den eigenen Bedarf aus Recyclingquellen decken zu können, benötigt Europa bis Anfang der 2030er Jahre etwa zehn solcher Konverter.

Ihre Mine liegt in Ontario, warum bauen Sie Ihre Anlage ausgerechnet in Deutschland?
Deutschland verfügt über eines der besten Chemie-Know-hows weltweit, eine starke Kundenbasis etwa in der Automobilindustrie, höchste Umwelt- und Sicherheitsstandards und ein international anerkanntes und respektiertes Genehmigungsverfahren. Damit kann unser Konverterprojekt in Guben als Blaupause für weitere Rock Tech-Projekte in anderen Ländern dienen. Den zweiten Lithiumkonverter bauen wir in Kanada.