Brustrekonstruktion: Wie eine neue Brust das Leben zweier Frauen verändert hat

Uta B. und Christiane H. haben sich beide für eine Brustrekonstruktion entschieden. Warum und wie die Operation für sie war, haben sie unsberichtet.

1996 hatte Uta B. ein steinhartes Gefühl in der linken Brust. Damals war sie 35 Jahre alt. Ihre Gynäkologin sagte zu ihr, dass sie sich keine Sorgen machen solle und noch viel zu jung sei für Brustkrebs. Sie ging zur Mammographie – dort wartete sie in dem Raum, wo das Bild ihrer Brust am Röntgenkasten hing. Ohne hineinzuschauen kam der Arzt ins Zimmer, schaute nur auf das Bild und sagte zu Uta B., dass der Tumor zu groß sei und die Brust entfernt werden müsse. Richtig aufgeklärt oder darauf vorbereitet worden, wie sie mit nur noch einer Brust aussähe, wurde sie nie. „Die Chirurgin war stolz auf ihre erste OP mit einer Brustabnahme. Sie fand die Narbe super. Ich bin nach dem ersten Blick in den Spiegel umgefallen, weil mir schwarz vor Augen geworden ist – das hatte ich so nicht erwartet. Der Anblick war schockierend.“

Uta B. hat bei einem Vortrag von der Brustrekonstruktion mit Eigengewebe erfahren und sich 15 Jahre nach ihrer Erkrankung für den Eingriff entschieden.
© privat

Erst nachdem ihr die Brust abgenommen wurde, erfuhr sie, dass sie noch Chemotherapie und Bestrahlung machen muss. Lange Zeit lebt Uta B. mit Epithesen, die sie sich in den BH steckt. „Man fragt sich aber immer, ob die Epithese hält oder sie verrutscht. Ich konnte auch keine Bluse mit einem richtigen Dekolleté mehr tragen.“ Bei ihrer Arbeit als Erzieherin half sie an einem Tag den Kindern, die Schuhe zuzubinden, als ihre Epithese verrutschte und zu sehen war. Eines der Kinder habe sie gefragt, was das sei. „Das zu hören und keine richtige Brust mehr zu haben, hat sich grausam angefühlt.“ Uta B. erzählt: „Der Gedanke, endlich wieder eine richtige Brust zu haben, der verfolgte mich jeden Tag.“

Brustrekonstruktion mit Eigengewebe oder Implantaten möglich

Box Frauenselbsthilfe Krebs

Doch lange glaubte Uta B., dass eine Brustrekonstruktion nur mit Silikon möglich sei – was sie nicht möchte. Heute kann in den allermeisten Fällen betroffenen Brustkrebspatientinnen eine Brustrekonstruktion angeboten werden, berichtet Dr. Lisa Steinhilper, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Oberärztin in der Klinik für Gynäkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Es wird zwischen autologen Rekonstruktionen (Verwendung von Eigengewebe) und heterologen Rekonstruktionen (Implantat-basiert) unterschieden. Auch eine Kombination beider Methoden kann notwendig sein. Eine Rekonstruktion kann sowohl einseitig, also im Rahmen der Brustdrüsenentfernung, oder zweiseitig, das heißt nach abgeschlossener Therapie, erfolgen. Jeder Rekonstruktion geht eine individuelle Beratung unter Einbeziehung aller relevanten Aspekte voraus.“

Im Verlauf ihrer Krankheit engagiert sich Uta B. in Selbsthilfegruppen. Gründet schließlich eine Gruppe der Frauenselbsthilfe Krebs in Brandenburg und arbeitet dort heute noch im Vorstand. Die Frauen lassen sich medizinisch auf den neusten Stand bringen. 2007 hört Uta B. zum ersten Mal bei einem Vortrag von der Brustrekonstruktion mit Eigengewebe. „Das war meins – das wusste ich“, sagt Uta B.. Es dauerte noch drei Jahre, bis sie zu 100 Prozent von der Operation überzeugt war. Ihr Mann und auch Kolleg:innen hätten es nicht verstanden – sie hatten Angst, dass Uta B. bei der OP etwas zustoßen könnte. Doch in ihr sei dieser Wunsch gewachsen.

Dr. Lisa Steinhilper ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie arbeitet als Oberärztin in der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
© Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Die Rekonstruktion mit Eigengewebe führe langfristig zur größten Zufriedenheit bei den Patientinnen, sagt Lisa Steinhilper. „Bei dieser Methode wird Eigengewebe vom Bauch, dem Rücken oder dem Oberschenkel an die Brustwand ‚verpflanzt‘. Diese Operationen sind aufwändig und das Auftreten von Frühkomplikationen ist häufiger. Zudem entstehen weitere Narben an anderen Stellen des Körpers. Vorteile der Methode sind das natürliche Aussehen und Verhalten des ‚verpflanzten‘ Gewebes, zum Beispiel das Annehmen der Körpertemperatur sowie die Veränderungen bei Gewichtsschwankungen. Auch nach stattgefundener Strahlentherapie können mit Eigengewebe sehr gute Ergebnisse erzielt werden.“ Doch nicht in jedem Fall sei diese Methode passend.

Interview Susanne Reinker

Christiane H. wusste sofort, dass sie ihre Brust wieder aufbauen lassen möchte

Die 59-jährige Christiane H. ist 51 Jahre alt, als sie von ihrem Brustkrebs erfährt. „Die Ärzte hatten damals die gute Nachricht für mich, dass ich nicht sterbe und die schlechte, dass mir eine Brust entfernt werden muss. Für mich war es ein Trost, dass man mir gleich von einer Brustrekonstruktion mit einem Implantat erzählte.“ Für sie sei seit Tag eins der Diagnose klar gewesen, dass sie ihre Brust wiederaufbauen lassen will. „Ich konnte mir keine Sekunde vorstellen, dass ich mir da so ein Silikon-Teil in den BH oder den Badeanzug stecke. Für mich war das keine Frage.“ Christiane H. schossen bei dem Gedanken an eine abgenommene Brust die Bilder in den Kopf, die sie vor über 30 Jahren bei ihrer Arbeit als Krankenpflegerin gesehen hat: „Die Frauen waren damals wirklich verstümmelt.“ Doch ihre Behandlung lief anders als geplant: Die Brustabnahme reicht nicht aus. Christiane H. brauchte Chemotherapie und Bestrahlung.

Durch die Bestrahlung war der Brustaufbau mit einem Implantat bei Christiane H. nicht mehr möglich. Ihr wird Gewebe am Bauch entnommen, um ihr in einer Operation wieder einen zweiten Busen zu formen. „Ich wusste, dass ich ein paar Tage nach der Operation nicht aufstehen darf und es anstrengend wird. Das war für mich aber gar nicht so schlimm, weil ich wieder eine Brust hatte – ich war einfach wieder einen Schritt weiter.“

Christiane H. hat mit 51 Jahren die Diagnose Brustkrebs bekommen. In der Frauenselbsthilfe Krebs in Berlin tauscht sie sich mit anderen krebskranken Frauen aus.
© privat

Für eine Nacht musste Christiane H. nach der Operation im Berliner Stadtteil Spandau auf die Intensivstation. Alle halbe Stunde wurde mit einem Gerät überwacht, ob die Brust auch durchblutet ist, denn: Die Gefäße müssen angeschlossen werden und die Durchblutung zeigt, dass der Eingriff gelungen ist. Nach vier Tagen habe sie wieder aufstehen dürfen und nach zehn Tagen konnte sie das Krankenhaus mit ihrer neuen Brust verlassen.

Risikofaktoren entscheiden darüber, ob Brustrekonstruktion möglich ist

Ob der aufwändige Eingriff der Brustrekonstruktion durchführbar ist, hänge von individuellen Risikofaktoren ab, sagt die Hamburger Gynäkologin Lisa Steinhilper. „Dazu gehören zum Beispiel Risikofaktoren wie das Vorliegen eines Diabetes mellitus, Nikotinkonsum, starkes Übergewicht, Arteriosklerose, schwerwiegende Vor- und Nebenerkrankungen, die Einnahme bestimmter Medikamente (beispielsweise Blutverdünner) sowie fortgeschrittenes Alter. Auch eine Strahlentherapie im Bereich der Brust ist ein relevanter Risikofaktor. Liegen mehrere Risikofaktoren vor, sollte die Rekonstruktion überdacht beziehungsweise ausführlich über das Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgeklärt werden.“

Brustkrebs (1)

Nach ihren negativen Erfahrungen mit Ärzt:innen bei der Brustkrebsdiagnose und Behandlung sowie der Angst vor einer neuen Operation brauchte es bei Uta B. Zeit, um sich für den Eingriff zu entscheiden. Doch sie habe ihre Entscheidung nie bereut: „Als ich aus der Narkose erwacht bin, saß der Arzt an meinem Bett und ich durfte meine neue linke Brust anfassen – und es war ein warmes Gefühl. Mir sind die Tränen in die Augen geschossen, weil ich das seit 15 Jahren nicht mehr erlebt hatte“, sagt Uta B.. Ein Erlebnis, was sie in ihrem Leben nicht mehr vergesse. Nach der Operation habe sie ein ganz anderes Selbstbewusstsein gehabt. „Die Brust sieht zwar keiner, aber die Menschen spüren es. Auf der Arbeit haben sie zu mir gesagt, dass ich einer neuer Mensch sei.“

Auch Christiane H. ist glücklich mit ihrer neuen Brust. Doch drei Wochen nach ihrer Operation bekam sie eine Nachricht, die ihr den Boden unter den Füßen wegzog: Knochenmetastasen. „Es war ein Gefühl, wie wenn man im Sommer aus dem Haus geht und mitten im Schnee steht.“ Christiane H. ist heute froh, dass sie diese Nachricht erst nach der Brustrekonstruktion erhalten hat. „Ich weiß nicht, ob ich mich nach dieser Diagnose für die Operation entschieden hätte.“ Doch mit den Metastasen hatte Christiane H. ein neues Problem: Sie hatte nach 36 Monaten Krankheit keinen Anspruch mehr auf Krankengeld. Sie musste sich mit Arbeitslosengeld behelfen, ging in eine Erwerbsminderungsrente, denn die körperlich anstrengende Arbeit als Krankenpflegerin und Heilpädagogin hätte sie ohnehin nicht weiter ausführen können. „Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und hatte dadurch auch große soziale Ängste.“

Eine besondere Brust

Zwar wird eine Brustrekonstruktion nach einer Brustkrebserkrankung von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, doch die Kosten für die Nachbildung der Brustwarze wollten die Krankenkassen der beiden Frauen nicht bezahlen. Uta B. hatte schon die mündliche Zusage für eine medizinische Tätowierung einer Brustwarze, als die Krankenkasse die Kosten zunächst doch nicht übernehmen wollte. Doch letztendlich bezahlte die Krankenkasse auch die Brustwarzentätowierung. Anders erging es Christiane H.. Ihre Krankenkasse räumte ihr nur einen Zuschuss von 200 Euro für das 3000 Euro teure medizinische Tattoo ein. Enorme Kosten – die Christiane H. als Neu-Rentnerin nicht stemmen konnte. Doch die Berlinerin ist eine echte Macherin: Sie schrieb einem Tattoo-Studio. Und so ziert ihre Brust nun keine Brustwarze, sondern ein Schmetterling und eine Ranke. Mit ihrer Art und ihrem Wissen hilft sie anderen Frauen mit der Diagnose Brustkrebs in der Frauenselbsthilfe Krebs in Berlin.

Heutzutage ist eine Rekonstruktion der Brustwarze auch mit Eigengewebe möglich. Dies könne zum Beispiel von der gegenüberliegenden Brustwarze, aus der Leiste oder dem Augenlid entnommen werden, erklärt die Gynökologin Lisa Steinhilper.

Krebs vorbeugen – die besten Tipps_9.41

Ihre Brüste sind nicht mehr wie vor der Brustkrebserkrankung, doch Uta B. und Christiane H. sind froh, dass sie wieder zwei Brüste haben. „Sie sieht mit dem Schmetterling anders aus, aber es war von Tag eins an meine Brust“, beschreibt Christiane H. das Gefühl. Der Krebs habe sie verändert. Sie sei dankbar für jedes Jahr, dass ihr geschenkt werde. Christiane H. muss durch die Metastasen in den Knochen für den Rest ihres Lebens behandelt werden. Wie lange das noch sein wird, weiß sie nicht. Aber das wisse schließlich niemand, sagt die Berlinerin.