Der Bundestag will das Sicherheitspaket beschließen – trotz großer Unruhe bei Sozialdemokraten und Grünen. Fünf Dinge, die Sie über das Ampel-Gesetz wissen müssen.
Warum gibt es dieses Sicherheitspaket überhaupt?
Nach dem tödlichen Terroranschlag von Solingen im August, bei dem drei Menschen erstochen wurden, wollte die Bundesregierung ein Signal der Härte und Entschlossenheit senden. Einerseits durch Verschärfungen im Waffenrecht und mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden, andererseits durch härtere Regeln in der Asylpolitik. Der mutmaßliche Täter, offenbar ein syrischer Flüchtling, hätte nach EU-Recht (Stichwort: Dublin-Verordnung) abgeschoben werden müssen – die deutschen Behörden scheiterten jedoch an seiner Überstellung.
Der Handlungsdruck, zumal wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, war entsprechend groß. Als Erster forderte Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz härtere Regeln ein, Stichwort: „Es reicht!“ Innerhalb kurzer Zeit schnürte die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket. Bei der Präsentation der Pläne warben sowohl Innenministerin Nancy Faeser (SPD) als auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) dafür, dass diese von Bundestag und Bundesrat „schnellstmöglich umgesetzt“ werden.
Warum hat das so lange gedauert?
Die Ampel-Fraktionen, die das Sicherheitspaket der Bundesregierung in Gesetzestexte gießen mussten, hatten sich lange über die Details gestritten. Zuletzt hatten dann auch noch Experten in einer Anhörung des Innenausschusses ihre Bedenken geäußert, da Teile des Maßnahmenbündels gegen geltendes Recht verstießen. Erst am vergangenen Freitag, sieben Wochen nach dem Solingen-Attentat, verkündeten SPD, Grüne und FDP, sich auf einen Kompromiss geeinigt zu haben. Ruhe kehrte in die Debatte trotzdem nicht ein.
Die härteren Migrationsgesetze sorgen insbesondere in der SPD für lautes Grummeln, einen offenen (Brand-)Brief von der Basis mit mehr als zehntausend Unterschriften haben auch Dutzende Bundestagsabgeordnete unterzeichnet. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer übt deutliche Kritik am Maßnahmenpaket, beklagt eine „massive Diskursverschiebung nach rechts“ und Schikane von Flüchtlingen. Teilen der FDP hingegen gehen die geplanten Maßnahmen nicht weit genug, wenngleich sie sich lange mit den geplanten Messerverboten schwergetan haben. Im Zuge der Beratungen wurden viele Maßnahmen daher abgeschwächt und um Ausnahmeregelungen ergänzt.
Ampel-Sicherheitspaket Solingen 17.58
Was steckt im Sicherheitspaket?
Mit dem Gesetzespaket wird ein allgemeines Verbot von Messern auf öffentlichen Veranstaltungen eingeführt, ebenso ein generelles Verbot von Springmessern. Ausnahmen soll es bei „bestimmten berechtigten Interessen“ geben, heißt es im Gesetzentwurf, wie etwa „im beruflichen und jagdlichen Umfeld“. Ausreisepflichtigen Asylbewerbern sollen Leistungen gestrichen werden, wenn nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes EU-Land für sie zuständig ist und eine Ausreise tatsächlich möglich ist. Ausnahmen soll es hier geben, wenn Kinder betroffen sind. Bei Terror-Ermittlungen soll ein Abgleich biometrischer Daten im Internet möglich werden, wenn der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) dies von einem Gericht genehmigen lässt.
Warum machen CDU und CSU nicht mit?
Nach Solingen hatten Union sowie SPD, FDP und Grüne zunächst versucht, einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten, um insbesondere das Thema Migration politisch zu befrieden. Er wolle keinen Asylwahlkampf, beteuerte CDU-Chef Friedrich Merz, dies helfe nur der AfD. Die Verhandlungen scheiterten jedoch. Anders als die Ampel fordert die Union pauschale Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen, also auch von Geflüchteten, die Asyl beantragen wollen. Merz und seine Leute berufen sich dabei vor allem auf einen Passus im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in dem Mitgliedsstaaten die Zuständigkeit „für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ garantiert wird.
Auch kritisiert die Union, dass die Ampel ihre Pläne, Sozialleistungen bei Dublin-Fällen zu reduzieren, noch einmal anpasste. Dies soll jetzt nur möglich sein, wenn die Ausreise „rechtlich und tatsächlich möglich ist“.
Hat die Koalition eine eigene Mehrheit?
Olaf Scholz hat in der SPD-Fraktion für die Abstimmung über das Sicherheitspaket eine eigene Mehrheit eingefordert und notfalls eine Vertrauensfrage angedeutet. Das heißt, der Kanzler will nicht auf Stimmen aus der Opposition angewiesen sein. Die sicherste eigene Mehrheit ist die sogenannte Kanzlermehrheit, also mehr als die Hälfte aller Abgeordneten. Das ist die Stimmenzahl, die in der Regel auch bei der Wahl des Regierungschefs notwendig ist. Bei derzeit 733 Abgeordneten sind dafür 367 Stimmen erforderlich. Die Koalition verfügt über 415 Stimmen, also 48 Stimmen über dem Durst.
Eine eigene Mehrheit ist aber bereits erreicht, wenn die Koalition unter allen bei der Abstimmung anwesenden Abgeordneten eine Mehrheit erreicht. Da nicht damit zu rechnen ist, dass alle Parlamentarier der Opposition an der Abstimmung teilnehmen werden, sinkt das Quorum für eine eigene Mehrheit der Koalition.
In einer Probeabstimmung in der SPD sollen 20 bis 25 Abgeordnete gegen das Paket gestimmt haben. Auch bei den Grünen gibt es zahlreiche Kritiker. Allerdings ist es nicht unüblich, dass Abgeordnete in der Fraktion gegen ein Gesetz stimmen und sich dann im Plenum der Mehrheit beugen. Unter all diesen Voraussetzungen ist damit zu rechnen, dass Scholz eine eigene Mehrheit erzielen wird. Da es sich um eine namentliche Abstimmung handelt, wird allerdings hinterher genau zu sehen sein, wie viele und welche Parlamentarier dem Kanzler die Gefolgschaft verweigert haben.