Grusel-Fest: Brauchtum aus den USA: Wie Halloween nach Deutschland kam

In den USA begeht man dieses Fest schon seit Langem. Innerhalb weniger Jahre hat sich Halloween auch in Deutschland etabliert. Wie konnte das geschehen?

Für ältere Semester ist es ein obskurer, aus den USA importierter Brauch. Für Kinder, Jugendliche und inzwischen immer mehr Erwachsene ein neuer, willkommener Anlass zum Feiern. An Halloween verkleidet man sich inzwischen auch in Deutschland. Kinder ziehen von Haus zu Haus und fordern mit dem Spruch „Süßes, sonst gibt’s Saures“ Geschenke.

Entstanden ist das Halloween-Fest in Irland. Nahm man lange Zeit an, Halloween habe seine Wurzeln in einem alten keltischen Erntedank-Brauch, geht die Wissenschaft heute von einem rein christlichen Ursprung aus: Demnach leitet sich der Name von „All Hallows‘ Eve“ – dem Abend vor Allerheiligen – ab. Verkürzt wurde daraus mit der Zeit „Halloween“. Über ausgewanderte Iren gelangte der Brauch im 19. Jahrhundert in die USA. Dort kam dann der für Halloween so typische Kürbis ins Spiel, und es entstand die Sitte, dass Kinder von Haus zu Haus ziehen und um Süßigkeiten bitten – oder mit Streichen drohen.

Halloween: Alles fing ganz harmlos an

Der Brauch ist mittlerweile auch nach Deutschland geschwappt. Halloween tauchte hierzulande verstärkt Ende der 90er Jahre auf, wie Walter Grünzweig, Professor für Amerikanistik an der TU Dortmund, erläutert. Es fing zunächst harmlos an: Zeitschriften und Magazine veröffentlichten erste kurze Artikel über das neue Phänomen. Dann rollte Halloween wie eine Lawine übers Land, sagt Grünzweig im Gespräch mit dem stern. Immer mehr Kneipen und Süßwaren-Hersteller hätten sich auf diesen Trend eingestellt. Die breite Masse feiert Halloween in Deutschland aber erst seit dem neuen Jahrtausend.PAID STERN 2006_47 Fakten Martin Luther

Doch wie genau kam es, dass dieser amerikanische Brauch in Deutschland so populär werden konnte? Die „Fachgruppe Karneval im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI)“ erhebt für sich den Anspruch, Halloween im Alleingang nach Deutschland gebracht zu haben. Die Fachgruppe entstand, nachdem 1991 wegen des Golfkriegs der Karneval abgesagt wurde, was den Kostümherstellern brutale Einbußen bescherte. Um neue Anlässe zu schaffen, startete die Gruppe 1994 eine Kampagne zur Einführung des amerikanischen Brauchs. In einer Presseerklärung von 2009 heißt es dazu: „Angespornt durch die Öffentlichkeitsarbeit der Fachgruppe Karneval im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie wurde Anfang der 90er Jahre der Grundstein für eine neue Tradition in Deutschland gelegt: Halloween.“

Die Kampagne war offenbar erfolgreich: Nach Angaben der „Fachgruppe Karneval“ wurden 2009 mit Halloween-Artikeln knapp 30 Millionen Euro umgesetzt. Für die Süßwaren-Branche ist das Gruselfest nach Auskunft des Bundesverbandes das drittwichtigste Ereignis des Jahres nach Weihnachten und Ostern. Und auch die Event-Gastronomie ist auf den Zug aufgesprungen und sorgt mit Halloween-Partys für volle Häuser.

Gesellschaftlicher Bedarf an neuen Bräuchen

Ein ganz neuer Brauch, angestoßen allein durch eine kleine Interessengruppe – ist das möglich? Gunther Hirschfelder, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg, erforscht das Thema Halloween seit langem. Die „Fachgruppe Karneval“ ist ihm bislang noch nicht untergekommen. Er sieht den Grund für den Erfolg vor allem in dem gesellschaftlichen Bedarf an neuen Bräuchen. „Der Mensch als soziales Wesen sehnt sich nach Traditionen, die sein Leben strukturieren“, so Hirschfelder. Halloween fülle ein kulturelles Vakuum, das in den 90er Jahren entstanden sei: Christliche Feiertage verlören schon seit längerem an Bedeutung, die Globalisierung trage zu einem Schwinden von regionalen Traditionen bei. In diese Lücke drängen Valentinstag, Muttertag, große Sportereignisse und eben Halloween. All diese Feiern haben nach Ansicht des Kulturwissenschaftlers eines gemein: Sie sind unverbindlich, sollen Spaß machen und es gibt ein kommerzielles Interesse.

bond-boesewichtDer Amerikanist Grünzweig sieht eine weitere Lücke, die von Halloween gefüllt wurde: Zwischen den Sommerferien und Karneval habe es vorher keinen Anlass für ein Fest gegeben. Doch warum etablierte sich gerade Halloween – und nicht ein anderer Brauch? Hirschfelder erklärt dies mit dem Aufkommen des Privatfernsehens Mitte der 80er Jahre: Die privaten Kanäle hätten verstärkt Hollywood-Filme gezeigt, die zuvor im öffentlich-rechtlichen Programm keine Chance gehabt haben, Gruselschocker wie „Halloween“ zum Beispiel. Dadurch seien die Deutschen mit diesem Fest vertraut geworden. Neue Bräuche werden heutzutage vorrangig von Fernsehen oder dem Internet vermittelt.

Entwicklung von sakraler hin zu jahreszeitlicher Symbolik

Die klare Symbolik ist ein weiterer Grund für den schnellen Siegeszug von Halloween: Der Kürbis ist ein starkes Zeichen, bei dem jeder sofort an Halloween denkt. Und: Er passt in die gesellschaftliche Entwicklung, die von sakraler hin zu jahreszeitlicher Symbolik geht. Viele Schaufenster und Wohnungen sind im Herbst mit Blättern und Kürbissen geschmückt.

Nur vor diesem Hintergrund sei der durchschlagende Erfolg des Gruselfests zu verstehen. Dass die Spielzeugindustrie mit ihrer „Fachgruppe Karneval“ diese Tendenz verstärkt haben mag, hält Gunther Hirschfelder sogar für möglich. So etwas hätte es in der Geschichte schon einmal gegeben: In den 20er Jahren habe etwa der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber den Muttertag in Deutschland mit Plakaten „Ehret die Mutter“ durchgesetzt.

Wer immer letztlich für die Einführung verantwortlich ist – Deutschland feiert Halloween auch in diesem Jahr mit Gruselpartys und ausgehöhlten Kürbissen. Das Schöne ist: Wer nicht mitmachen will, muss nicht. Empfohlen sei jedoch, am Dienstag reichlich Süßes im Haus zu haben. Sonst könnte es Saures geben.