Kamala Harris oder Donald Trump – in den USA ist der Tag der Entscheidung bei der Präsidentschaftswahl angebrochen. Die Wahllokale öffneten am Dienstag um 06.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MEZ) flächendeckend in den ersten Bundesstaaten an der Ostküste, nach und nach folgten weitere Staaten. Im bis zuletzt extrem knappen Präsidentschaftsrennen haben die US-Bürger die Wahl zwischen Vizepräsidentin Harris von den Demokraten und dem republikanischen Ex-Präsidenten Trump; beide warben bis zuletzt um Stimmen. In Washington und andernorts wuchs derweil die Angst vor Unruhen.
Harris und Trump liefern sich in den Umfragen seit Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen, so dass mit einem äußerst knappen Wahlausgang gerechnet wird. Ergebnisse aus ersten Bundesstaaten werden nach 19.00 Uhr (Ortszeit Washington, Mittwoch 01.00 Uhr MEZ) erwartet. Es ist aber fraglich, ob die US-Fernsehsender schon in der Wahlnacht einen Gesamtsieger ausrufen können oder ob das Ergebnis so knapp ist, dass länger gewartet werden muss. Bei der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren stand das Ergebnis erst vier Tage später fest.
Das Harris-Team ging am Montag aber davon aus, dass sich Trump wie 2020 vorzeitig zum Sieger ausrufen könnte. Damals hatte Trump nach seiner Wahlniederlage unhaltbare Betrugsvorwürfe erhoben und diese Lügen über Wochen ohne jegliche Beweise verbreitet – Washington erlebte daraufhin einen Gewaltexzess, als eine von Trump aufgestachelte Menge am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmte.
Mit Blick auf mögliche neue Gewaltausbrüche wurden in der Hauptstadt Washington die Sicherheitskräfte verstärkt, Kapitol und Weißes Haus sind mit Metallbarrieren gesichert, zahlreiche Geschäfte und Bürogebäude wurden verriegelt. In mindestens drei Bundesstaaten – Nevada, Washington und Oregon – wurde die Nationalgarde aktiviert. Bei einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus befürchten viele, dass der Rechtspopulist der US-Demokratie schweren Schaden zufügen könnte.
Entscheidend für den Wahlsieg dürften die Resultate in den sieben sogenannten Swing States sein, in denen das Rennen besonders eng ist. Laut der jüngsten Umfrage der „New York Times“ und des Siena Instituts liegt Harris zwar in vier der sieben wichtigen Bundesstaaten vorn – in Pennsylvania aber verlor sie demnach an Zustimmung, so dass sie dort nun mit Trump gleichauf liegt.
Wichtig dürfte in dem Zusammenhang die Mobilisierung der Wähler sein. Jüngsten Angaben zufolge haben vorab bei der Frühwahl in den Wahllokalen oder per Briefwahl bereits mehr als 82 Millionen der insgesamt 244 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Das ist bereits mehr als die Hälfte der bei der Wahl vor vier Jahren insgesamt abgegebenen Stimmen.
Erste Wahllokale schließen um 18.00 Uhr (Ortszeit; 00.00 Uhr MEZ Mittwoch). Als letzter Bundesstaat macht Alaska am Mittwoch um 01.00 Uhr Washingtoner Zeit (07.00 Uhr MEZ Mittwoch) dicht.
Die US-Bürger entscheiden zwischen zwei Kandidaten, die für völlig entgegengesetzte politische Konzepte stehen. Harris wäre die erste Frau und Politikerin mit indisch-afroamerikanischen Wurzeln an der Spitze der Vereinigten Staaten. Sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden der US-Verfassung und in der Tradition der US-Demokratie.
Bei einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus befürchten viele, dass sich der Rechtspopulist über die Gewaltenteilung hinwegsetzen und damit der US-Demokratie schweren Schaden zufügen könnte. Er hat im Wahlkampf eine Massenabschiebung von irregulären Migranten angekündigt und politischen Gegnern wiederholt gedroht.
In der Außenpolitik wäre von Harris zu erwarten, dass sie am europafreundlichen Kurs des scheidenden Präsidenten Joe Biden festhält, während Trump den Nato-Beistandspakt wie auch die US-Militärhilfen für die Ukraine in Frage gestellt hat.
Neben der Präsidentschaft entscheiden die Wählerinnen und Wähler am Dienstag auch über die künftige Machtverteilung im US-Kongress. Die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 34 der hundert Senatoren werden neu gewählt. Im Repräsentantenhaus, in dem derzeit die Republikaner die Mehrheit haben, deuten Umfragen auf ein extrem knappes Ergebnis hin. Im Senat zeichnete sich demnach eine Mehrheit der Republikaner ab.
In zehn Bundesstaaten finden zudem Referenden zum Abtreibungsrecht statt – das zu einem der wichtigsten Themen des Wahlkampfs zählte. In elf der 50 Bundesstaaten wird zudem ein neuer Gouverneur gewählt.
Vor Öffnung der Wahllokale schlossen Harris und Trump am Montagabend (Ortszeit) ihre Wahlkämpfe in zwei besonders umkämpften Bundesstaaten ab: Die Demokratin trat in der Ostküstenmetropole Philadelphia im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania auf, der Republikaner in Grand Rapids im ebenfalls als Swing State geltenden Michigan.
Harris gab sich in ihrer letzten Wahlkampfrede an der Seite von Prominenten wie Popstar Lady Gaga und Talkshow-Legende Oprah Winfrey siegessicher: Das Momentum sei auf ihrer Seite, versicherte sie. „Dies könnte eines der engsten Rennen in der Geschichte werden – jede Stimme zählt“, fügte sie an.
Trump äußerte sich bei seinem Auftritt in Michigan gewohnt selbstbewusst. „Mit Eurer Stimme morgen können wir jedes einzelne Problem unseres Landes lösen und Amerika – ja, die Welt – zu neuem Ruhm führen“, sagte er. Erneut schlug Trump auch feindselige Töne gegenüber Migranten an: Unter anderem sprach er davon, Migranten in Ringkämpfen gegen Profis antreten zu lassen.