Am 23. Februar wird der neue Bundestag gewählt. Der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands gibt sich präsidial und mahnt bis zur Wahl die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung an.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ist zwar nicht Kanzlerkandidat der Union geworden, aber nach dem Bruch der Ampel-Koalition warnt er vor einem brachialen Wahlkampf in Deutschland wie in den USA. „Wenn es keine Fakten mehr gibt, sondern nur noch Meinungen, gibt es auch kein Richtig und kein Falsch. Es gibt auch keine Wahrheit und keine Lüge mehr“, sagte Wüst in Düsseldorf.
Der CDU-Politiker begrüßte, dass es mit dem 23. Februar jetzt endlich Klarheit gebe über den Termin für die vorgezogene Bundestagswahl. Der Umgangsstil der scheidenden Ampel-Koalitionäre lasse für den Wahlkampf allerdings nichts Gutes erahnen. „Die politische Handlungsunfähigkeit, die permanenten Streitereien haben einen enormen Vertrauensschaden ausgelöst bei Wirtschaft, Arbeitnehmern, in der Gesellschaft, bei den Menschen im Land insgesamt.“ Dabei erforderten die Wirtschaftskrise, russische Bodengewinne in der Ukraine, die weiter bestehenden Herausforderungen bei der Migration und Sicherheitsfragen dringend eine entschlossene Handlungsfähigkeit der Bundesregierung.
Deutschland müsse eine Führungsrolle in der Europäischen Union einnehmen. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA werde es keine Schonfrist geben. Der künftige US-Präsident werde durchregieren können und es sei zu befürchten, dass er seinen Äußerungen schnell Taten folgen lasse. Die neue Bundesregierung müsse in der Lage sein, Trump zu begegnen.
Bis zur Neuwahl des Bundestags können nach Einschätzung von Wüst noch einige Gesetzesvorhaben der verbliebenen rot-grünen Minderheitsregierung mit Unterstützung der Union umgesetzt werden. Die Unions-Bundestagsfraktion habe sich in dieser Wahlperiode immer wieder als konstruktiver Partner erwiesen, die Hälfte der Ampel-Gesetzgebungsvorhaben habe die Union mitgetragen. Chancen sieht Wüst etwa für die Verabschiedung der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und sogar für die noch blockierten Teile des Sicherheitspakets der Bundesregierung.
Wo gespart wird und wo nicht
Zur Halbzeit seiner schwarz-grünen Landesregierung zählte Wüst auf, wie viele Hunderte Millionen Euro in Schulen und Kitas fließen – wohl auch, um damit den für Mittwoch angekündigten großen Protesten gegen Sozialkürzungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wüst verwies auf Sparzwänge, die aus niedrigen Wachstumsprognosen resultierten. Die Landesregierung sei wie auch die Bundesregierung gezwungen, Prioritäten zu setzen: Es koste eben viel Geld, Energiekosten abzufedern, Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst zu finanzieren, Schulden zu tilgen und in Bildung zu investieren.
Die Forderung der Opposition, Geld aus den sogenannten Selbstbewirtschaftungsmitteln der Ministerien zu entnehmen und auf die Kürzungen zu verzichten, wies Wüst zurück. Die Mittel seien bereits gebunden. „Deswegen ist da kein Sack Geld, den wir noch irgendwie verstecken.“ Wenn wirklich noch Geld da wäre, würde er auch nicht erstmals neue Milliarden-Schulden im Rahmen der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse aufnehmen, so Wüst.
Geld für das Sicherheitspaket, das die Landesregierung als Konsequenz aus dem Terroranschlag von Solingen mit drei Toten geschnürt hat, wird aber trotz des Sparkurses bereitgestellt. 400 Millionen Euro und 228 zusätzliche Stellen über alle Bereiche hinweg kündigte Wüst an.
Mit den Mitteln sollen unter anderem der Verfassungsschutz gestärkt und virtuelle Ermittler eingesetzt werden. Außerdem würden die Verwaltungsgerichte für schnellere Asylverfahren gerüstet und eine zweite Abschiebehaft sei in Planung. Die Mittel würden über eine Zeit verteilt, in der das Geld gebraucht werde.
Maßnahmen zum Bürokratieabbau und ein Fehlereingeständnis
Entlastung versprach Wüst beim Bürokratieabbau. Das Landeskabinett habe rund 30 Maßnahmen für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen beschlossen. Berichtspflichten und die Notwendigkeit für die Schriftform würden bei einigen Dingen teils abgeschafft. Planungsrecht, Emissionsschutzrecht und Verfahren für die Genehmigung von Schwerlast- und Großraumtransporten würden ebenso vereinfacht wie das Naturschutzrecht sowie Vergabeverfahren.
Der Regierungschef gestand in seiner Bilanz auch einen Fehler ein. So würde er nicht noch einmal in den Koalitionsvertrag schreiben, dass NRW ein Gesetz für den Offenen Ganztag bekommen werde. Ein solches Gesetz blockiere den Ausbau der Ganztagsplätze, da die Kommunen dadurch mit immer mehr Standards überfordert würden; das sei inzwischen klar geworden. Dass das im schwarz-grünen Koalitionsvertrag angekündigte Gesetz nicht komme, hatte die Opposition immer wieder kritisiert. Wüst sagte dazu: „Politik ist dynamisch.“
„Schwarz-Grün muss man können“
Letztlich zeigte sich Wüst nach zweieinhalb Jahren Schwarz-Grün sehr zufrieden und lobte das Funktionieren der Koalition. Trotzdem sei man jetzt demokratischer Wettbewerber vor der Bundestagswahl. Und es sei auch kein Geheimnis, dass die Grünen den Sozialdemokraten an vielen Stellen näher seien. „Man muss Schwarz-Grün auch können“, mahnte Wüst wohl auch in Richtung von CSU und CDU im Bund, wo Bündnisse mit Grünen teils abgelehnt werden.
Gerade in der jetzigen Situation müsse man bereit sein, übergreifend in politischen Lagern konstruktiv miteinander umzugehen. Natürlich könnten sich die Parteien streiten wie die Kesselflicker. „Aber politische Wettbewerber dürfen nicht zu Feinden werden, jedenfalls nicht, wenn sie sich im demokratischen Spektrum aufhalten.“