Ein Staatsanwalt soll gegen Geld vertrauliche Ermittlungsergebnisse an ein Kokain-Kartell weitergegeben haben. Warum durfte er trotz des Verdachts zunächst weiter Drogen-Verfahren bearbeiten?
Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) hat nach eigenen Angaben erst im Oktober 2024 von den seit drei Monaten laufenden erneuten Ermittlungen gegen einen mutmaßlich korrupten Staatsanwalt erfahren. Der 39-Jährige soll ein Kokain-Kartell mit Informationen versorgt haben. Er sitzt seit Ende Oktober unter anderem wegen des Verdachts der Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall in Untersuchungshaft. „Details darüber habe ich nicht erfahren“, sagte Wahlmann. Um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, sei höchste Vertraulichkeit erforderlich gewesen.
Das Verfahren gegen den 39-Jährigen war laut Wahlmann nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Hannover am 19.06.2024 wieder aufgenommen worden. „Davon wurde das niedersächsische Justizministerium am 22.10. mündlich informiert“, sagte die Ministerin vor Journalisten. Der Staatssekretär habe ihr erzählt, dass gegen den beschuldigten Staatsanwalt aus Hannover ein Haftbefehl vollstreckt werden sollte.
Opposition spricht von „Justizskandal“
Die oppositionelle CDU spricht in dem Fall von einem „Justizskandal“ und hat eine Kleine Anfrage mit annähernd 150 Fragen an das niedersächsische Justizministerium gestellt. Der Staatsanwalt sei zwar im Februar 2024 von der Drogen-Abteilung in die Abteilung Kapitalverbrechen versetzt worden, sei aber noch in diesem Sommer Chefankläger in einem Drogenverfahren gewesen, kritisiert die CDU-Abgeordnete Carina Hermann.
Konkret wird der 39-Jährige unter anderem verdächtigt, die international agierende Rauschgiftbande schon 2021 vor einer bundesweiten Razzia gewarnt zu haben. Führende Köpfe der Bande setzten sich ins Ausland ab. Für Informationen soll der Jurist Bargeld erhalten haben.
Im November 2022 gab es eine Durchsuchung der Privatwohnung und des Dienstzimmers des verdächtigen Juristen. Die Ermittlungen wurden jedoch laut Ministerium später eingestellt, weil dem Mann nicht nachgewiesen werden konnte, dass er das Leck in den Behörden gewesen war.
Jetzt ermittelt Generalstaatsanwalt in Oldenburg
Die CDU kritisiert zudem, warum zunächst die Staatsanwaltschaft Hannover gegen den eigenen Kollegen ermittelte. Am Wochenende wurde bekannt, dass Wahlmann fortan den Oldenburger Generalstaatsanwalt mit den Ermittlungen in diesem Fall betraut. „Das begrüßen wir“, sagte Hermann der dpa.
„Von einem Skandal zu reden, finde ich ein bisschen schwierig“, sagte Wahlmann. Es gebe insgesamt 16.000 Beschäftigte in der niedersächsischen Justiz, die zum überwiegenden Teil einen hervorragenden Job leisteten. Sie hielte es für sehr schade, wenn das Versagen eines Einzelnen dazu genommen werde, die Justiz insgesamt in Misskredit zu bringen. „Klar ist aber auch, dass dieser Fall möglichst schnell aufgeklärt werden muss und da ist die Justiz auch schon dabei.“