Eklat bei der COP29: Klimagipfel in Aserbaidschan droht zu scheitern

Wie erwartet, geht der Klimagipfel in Baku in die Verlängerung. Doch die COP-Teilnehmer sind tief gespalten. Arme Länder fühlen sich benachteiligt, andere mauern beim Klimaschutz.

Die Klimakonferenz in Baku steht auf der Kippe. Nach rund 24 Stunden Verlängerung wurde die vielfach kritisierte chaotische Verhandlungsführung des Gastgebers Aserbaidschan deutlich sichtbar: Ganze Ländergruppen verließen den Verhandlungssaal, unabgestimmte Textentwürfe fanden ihren Weg in die Öffentlichkeit und Außenministerin Annalena Baerbock griff die Präsidentschaft ungewöhnlich scharf an.

Aber der Reihe nach.

In der entscheidenden Schlussphase verließen Vertreter der Inselstaaten und der am wenigsten entwickelten Länder aus Protest gegen die Präsidentschaft den Verhandlungssaal, weil diese nach ihren Worten in zirkulierenden Textentwürfen ihre Anliegen außen vor ließ. Einigung? „Abgelehnt!“, rief eine Verhandlerin.Bilanz COP Aserbaidschan 12:27

Mit ihrer Aktion protestierten die Beteiligten gegen vorliegende Beschlussentwürfe, in denen sie ihre Interessen nicht berücksichtigt sehen. „Wir wurden nicht gehört“, begründete der Unterhändler Cedric Schuster im Namen Allianz der kleinen Inselstaaten (Aosis) diesen ungewöhnlichen Schritt. „Besser keine Vereinbarung als eine schlechte Vereinbarung“, hatte der Sprecher der afrikanischen Gruppe, Ali Mohamed, zuvor mit einem Scheitern der Konferenz gedroht.

Arme Länder fühlen sich in Finanzfragen benachteiligt

Hintergrund ist das Ringen um einen neuen Rahmen für die internationale Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen. Dutzende Entwicklungsstaaten hatten vehement Gelder in Billionenhöhe gefordert. Auch eine unabhängige UN-Expertengruppe kommt zu dem Schluss, dass der Bedarf an externer Hilfe bis 2030 rund 1.000 Milliarden US-Dollar pro Jahr beträgt – und sogar 1.300 Milliarden bis 2035.

Aus Verhandlungskreisen wurde deutlich, dass statt der 250 Milliarden US-Dollar, die zunächst als jährliche Klimahilfen von Industriestaaten in ärmere Länder vorgeschlagen wurden, nun 300 Milliarden Dollar im Raum stehen. Zwar gibt es noch keinen neuen Entwurf für einen Beschluss, allerdings zirkulieren verschiedene Textentwürfe, gegen die es großen Widerstand von einigen Ländern gibt.

Die Entwicklungsländer insgesamt halten die angebotenen Summen für unzureichend. Bei der Protestaktion ging es aber offensichtlich auch um die Verteilung der Mittel. Die ärmsten und besonders verletzlichen Staaten dringen darauf, dass ein bestimmter Anteil davon ihnen vorbehalten wird.Klimafinanzierung und Emissionen 11.40

Ein Sprecher der Inselstaaten fragte: „Wie könnt ihr von uns erwarten, dass wir zu den Frauen, Männern und Kindern in unseren Ländern mit einem Deal zurückkehren, der sie mit Sicherheit in weitere Gefahren stürzen wird?“ Was hier geschehe, mache deutlich, dass Industrie- und Entwicklungsländer in unterschiedlichen Booten säßen. „Nach dem Ende dieser COP29 können wir nicht einfach in den Sonnenuntergang segeln. Wir gehen buchstäblich unter.“ Aus EU-Delegationskreisen hieß es aber, man gehe davon aus, dass die Verhandlungen noch weitergehen.

Baerbock: „Geld allein wird die Welt nicht retten“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bekannte sich erneut zur „historischen“ Verantwortung der Industriestaaten für den Klimawandel, auch in finanzieller Hinsicht. Sie bekräftigte zugleich mit Blick auf China und weitere Staaten, es müssten „auch die großen und reichen neuen Emittenten“ von Treibhausgasen in die Klimafinanzierung einbezogen werden. In Beschlussentwürfen hieß es dazu, weitere Staaten sollten „zu Beiträgen ermutigt werden“, allerdings „auf einer freiwilligen Basis“.

Zugleich warnte die Außenministerin davor, Rückschritte bei Beschlüssen aus dem vergangenen Jahr zum Klimaschutz zu machen. Klimahilfen und die Verringerung klimaschädlicher Emissionen „gehören aufs Engste zusammen“, sagte Baerbock – denn „Money alone won’t save the world“ (Deutsch: „Geld allein wird die Welt nicht retten“), fügte sie auf Englisch hinzu. 

Emissionsziele bei COP29 ebenfalls strittig

Die EU-Delegationen täten in den Verhandlungen alles, „um Brücken zu bauen“, sagte EU-Chefunterhändler Wopke Hoekstra am Samstag in Aserbaidschan. Es sei aber ungewiss, ob dies Erfolg haben werde. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem „Machtspiel“ von Staaten mit fossilen Interessen, darunter auch die aserbaidschanische Präsidentschaft.

Ein weiterer Knackpunkt ist auch die Abkehr von den fossilen Energien, auf die sich die Staatengemeinschft im vergangenen Jahr geeinigt hatte. Die EU-Staaten pochen auf ein klares Bekenntnis zur Senkung der Treibhausgasemissionen gemäß der Beschlüsse auf der UN-Konferenz in Dubai. Eine Abkehr davon werde die EU „nicht akzeptieren“, stellte Baerbock klar.Meinung: Die erste ehrliche Klimakonferenz 18:57

„Hier auf der Klimakonferenz in Baku befinden wir uns in der Mitte eines geopolitischen Machtspiels“, sagte Baerbock. Dieses werde von „fossilen Staaten“ leider „auf dem Rücken der ärmsten und verletzlichsten Länder“ ausgetragen. „Wir Europäer werden nicht zulassen, dass die verletzlichsten Staaten der Welt, insbesondere die kleinen Inselstaaten, von einigen der neuen fossilen und reichen Emittenten hier über den Tisch gezogen werden“, fügte die Ministerin hinzu – „und das im Zweifel auch noch mit Rückendeckung der COP-Präsidentschaft„.

Beobachtern zufolge hatte insbesondere Saudi-Arabien während der zweiwöchigen Verhandlungen gemeinsam mit einigen großen autoritären Staaten versucht, schon gefasste Beschlüsse für den Klimaschutz zurückzudrehen. Von unterschiedlichen Seiten gab es in Baku teils heftige Vorwürfe gegen die Verhandlungsführung durch die Präsidentschaft. Diese würde vorliegende Kompromissvorschläge nicht berücksichtigen und Gruppen von Staaten von Konsultationen ausschließen, hieß es.

Was passiert, wenn die COP29 scheitert?

Wegen der schleppenden Verhandlungen ist die Weltklimakonferenz in die Verlängerung gegangen. Eigentlich hatte sie am Freitagabend enden sollen.

Für eine Einigung läuft die Zeit ab: Mindestens zwei Drittel der rund 200 Vertragsstaaten müssen für eine Entscheidung vor Ort sein. Das ist vor allem für die ärmeren Länder ein Problem, denn ihre Delegierten haben oft nicht das Geld, um Flüge und Hotels umzubuchen. 

Gelingt keine Einigung, laufen die bislang beschlossenen Finanzhilfen von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr 2025 aus. Was danach passiert, würde auf Verhandlungen im kommenden Jahr vertagt. Konkret bedeutet das, dass viele Länder nicht genug Geld haben, um wirksam Klimaschutz auf die Beine zu stellen und sie sich auch nicht ausreichend anpassen können. Im Endeffekt: mehr Leid, mehr Zerstörung und mehr Migration in reichere Weltregionen wie Europa.

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