Der Kanzler hat das Vertrauen des Bundestags verloren. Für die Neuwahl am 23. Februar fehlt nun nur noch die Zustimmung eines Mannes.
Es ist der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Neuwahl des Bundestags am 23. Februar: Der Bundestag hat die Vertrauensfrage von Kanzler Olaf Scholz mit Nein beantwortet. Nur 207 Abgeordnete haben sich hinter ihn gestellt, für eine Mehrheit hätte er mindestens 367 Stimmen benötigt. Jetzt muss nur noch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Plan zustimmen, die ursprünglich für den 28. September 2025 geplante Wahl um gut sieben Monate vorzuziehen.
Warum hat Scholz die Vertrauensfrage gestellt?
Es ist für ihn die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Denn der Bundestag kann sich nicht selbst auflösen. Scholz hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Rausschmiss von FDP-Finanzminister Christian Lindner und dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt, um wieder für stabile Verhältnisse zu sorgen. Derzeit führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen.
Wie ist die Abstimmung genau ausgegangen?
207 Abgeordnete stimmten für Scholz, 394 gegen ihn, 116 enthielten sich. Vor der Abstimmung hatte nur die SPD-Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten angekündigt, für Scholz stimmen zu wollen. Die Grünen-Fraktionsspitze hatte ihren 117 Parlamentariern dagegen eine Enthaltung empfohlen. Sie wollte so ausschließen, dass die AfD den Neuwahl-Plan durchkreuzt. Hätten die Grünen geschlossen für Scholz gestimmt, wären das zusammen mit der SPD schon 324 Stimmen, also nur 43 weniger als die erforderliche Mehrheit gewesen. Dann hätte die AfD mit ihren 76 Abgeordneten Scholz rein rechnerisch zu einer Mehrheit verhelfen können – die dieser gar nicht wollte.
Hat jemand aus der Opposition für Scholz gestimmt?
Ja, aber das waren Ausnahmen, wie die vom Bundestag veröffentlichten Abstimmungslisten zeigen. Drei AfD-Abgeordnete stimmten für den Kanzler, der frühere AfD-Parteichef Alexander Gauland enthielt sich. Außerdem votierten drei Fraktionslose für Scholz, darunter der aus der FDP ausgetretene Verkehrs- und Justizminister Volker Wissing.
Was ist nun der nächste Schritt?
Jetzt ist der Bundespräsident am Zug. Scholz schlug Frank-Walter Steinmeier bei einem Treffen im Schloss Bellevue die Auflösung des Parlaments vor. Dazu hat das Staatsoberhaupt nun drei Wochen Zeit. Der Bundespräsident hat angekündigt, zuvor Gespräche mit den Fraktionen und Gruppen im Parlament führen zu wollen. Das sei „gute Staatspraxis“, da eine Auflösung des Bundestags alle Abgeordneten betreffe, sagte er der ARD. Es gehe darum auszuloten, ob sich möglicherweise Mehrheiten für andere Regierungen finden lassen, die Stabilität versprechen. Als Erste kommen an diesem Dienstag SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und Oppositionsführer Friedrich Merz ins Schloss Bellevue.
Ist das denn wirklich denkbar?
Nein. Alle Fraktionen und Gruppen im Bundestag wollen die Neuwahl. Das weiß auch Steinmeier. Deswegen hat er in dem Interview auch hinzugefügt: „Ich werde nicht überrascht sein, wenn sich diese Möglichkeit in den Gesprächen mit den Fraktionsvorsitzenden und Vorsitzenden der Gruppierungen nicht zeigt.“ Es gilt also als sicher, dass Steinmeier dem Vorschlag des Kanzlers zustimmt, den Bundestag aufzulösen.
Was passiert dann?
Die Neuwahl muss dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden. SPD, Grüne und die Union als größte Oppositionsfraktion haben sich auf den 23. Februar als Wahltermin verständigt. Den Wahltermin bestimmt nach dem Grundgesetz jedoch der Bundespräsident. Dieser hat allerdings bereits erkennen lassen, dass er den 23. Februar als Termin für realistisch hält.
Ist Scholz auch ohne das Vertrauen des Parlaments noch voll handlungsfähig?
Der Kanzler und seine Regierung bleiben im Amt – und zwar im vollen Umfang und nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestags – spätestens 30 Tage nach der Wahl – endet laut Artikel 69 Grundgesetz das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition noch nicht abgeschlossen sind, kann der Bundespräsident die alte Regierung bitten, die Amtsgeschäfte bis zur Vereidigung der neuen weiterzuführen. Dazu ist sie verpflichtet.
Ist der Bundestag nach seiner Auflösung noch handlungsfähig?
Ja. Er bleibt bis zum Zusammentritt des neuen Bundestags mit all seinen Rechten und Pflichten bestehen. Das Parlament kann jederzeit wieder zusammentreten, es kann weiter Gesetze beschließen, auch seine Gremien wie Untersuchungsausschüsse bestehen bis zum Ende der Wahlperiode fort. Dieses Ende ist mit dem ersten Zusammentreten des neu gewählten Bundestags erreicht.
Ist es denn realistisch, dass der Bundestag noch etwas zustande bringt?
Scholz wirbt für die Verabschiedung mehrerer Gesetzesvorhaben mit finanziellen Entlastungen noch vor Weihnachten. „Ein Schulterschluss der demokratischen Mitte in diesen wichtigen Fragen wäre ein starkes Zeichen“, sagte der SPD-Politiker schon nach Einreichung seines Antrags auf Vertrauensfrage. Er appelliere an die Opposition: „Lassen Sie uns gemeinsam handeln im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.“
Macht die Opposition da mit?
Das meiste wird blockiert, einzelne Vorhaben aber könnten noch klappen: Union und FDP wollen beide zustimmen, wenn es darum geht, das Verfassungsgericht widerstandsfähiger gegen Einflussnahme und Blockade durch Verfassungsfeinde zu machen. Einem Gesetz zum Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer und für mehr Kindergeld will zumindest die FDP zustimmen – es könnte dann aber im Bundesrat an den unionsgeführten Ländern scheitern. Auch ein Gesetz zur unterirdischen Speicherung klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) könnte noch kommen – hier haben Union und FDP beide Zustimmung signalisiert.