Sie waren als Weltretter angetreten – und scheiterten kläglich. Die Ampel hat klimapolitisch nicht viel geschafft. Das Problem: Besser wird’s wohl leider nicht.
Man kann viel über die Schrullen der Grünen lamentieren und spotten. Aber im aufbrausenden Wahlkampf wird allzu deutlich: Sie sind die einzige relevante Partei in Berlin, die angesichts der stark steigenden Erderwärmung das Thema Klimaschutz noch mit dem gebotenen Ernst angeht. Alle anderen haben sich mehr (BSW, AFD, FDP) oder minder (SPD, Union) von rasch wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verabschiedet.
Manche behaupten sogar, das Land komme ohne die ökologische Anstrengung schneller aus der Wirtschaftswachstumskrise. Schon das sollte einer modernen Industrienation, die für sich eine globale Vorreiterrolle beansprucht, zu denken geben.
Eigene Klimaziele wurden schamlos von der Ampel gerissen
Wo stehen wir? Nach drei Jahren fällt die Ökobilanz der zerbrochenen Ampelregierung in wesentlichen Teilen trostlos aus. Leider. Eigene Klimaziele hat sie selbst schamlos gerissen. Schuld daran waren vor allem rückwärtsgewandte Kräfte in den eigenen Reihen, allen voran der FDP, die von Tag eins an immer rücksichtsloser auf Gegenkurs gingen.
Parteichef Christian Lindner hat die ganze Wucht der Restaurationsbewegung beim Showdown der Ampel in seinem Grundsatzpapier zur Wirtschaftswende gezeigt. Seine Postulate karikieren den Koalitionsvertrag komplett: Lindner will Klimaziele lieber aufweichen sowie Subventionen und Umweltregulierungen streichen, statt die Welt retten.
In einigen ökologischen Disziplinen hat das ungleiche Triumvirat ein regelrechtes Trümmerfeld hinterlassen. Dabei hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Amtsantritt 2021 versprochen, man wolle „die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energie forcieren, die Industrie umbauen und uns damit endlich auf den 1,5-Grad-Pfad begeben.“ Und die jungdynamischen Koalitionspartner hatten ihm wohlwollend zugelächelt.
Doch Pustekuchen. Das 1,5-Grad- Ziel ist bereits gerissen, sagt der EU-Klimawandeldienst Copernicus. Nicht nur, aber auch wegen Deutschlands Trägheit.
Vor allem ist der ambitionierte Kohleausstieg gescheitert. Das kann man bereits heute konstatieren, ohne die Glaskugel zu bemühen. Das Ende der größten Klimakiller sollte – zunächst im rheinischen Revier – schon 2030 beginnen. Doch Habeck ist es über die Jahre nicht einmal gelungen, ein Kraftwerksgesetz durchzubringen, das den Kohleausstieg absichert. Denn klar ist: Wenn bundesweit kein Strom mehr aus Kohle (und Atomkraft) gewonnen wird, müssen bei einer Wind- und Sonnenflaute andere Energiequellen einspringen können, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Keine Sicherheit, kein Kohleausstieg: So einfach ist die Logik der zuständigen Bundesnetzagentur.
Ein Kraftwerksgesetz gibt es bis heute nicht
Das Kraftwerksgesetz soll unter anderem festlegen, welche umweltschonenden Gaskraftwerke, die später mit grünem Wasserstoff laufen können, gebaut und gefördert werden. Die Energieindustrie wartet seit langem sehnsüchtig auf eine klare Gesetzeslage, um endlich Planungs- und Investitionssicherheit zu bekommen. Sie wird so schnell nicht eintreten. CDU-Chef Friedrich Merz lehnt Habecks Gesetzesvorschlag ab – allein schon deshalb, weil er es kann. Vor dem kommenden Sommer, wenn eine neue Regierung handlungsfähig ist, ist mit keiner Entscheidung mehr zu rechnen.
Spätestens dann aber sind auch die letzten ambitionierten Pläne für einen vorgezogenen Kohleausstieg obsolet. Denn ein neues Gaskraftwerk zu bauen, dauert rund fünf Jahre. Also wird Deutschland noch deutlich länger dazu beitragen, dass die klimaschädlichen CO₂-Emissionen aus der Kohleverbrennung steigen. Nach Schätzung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie werden sie 2024 global erneut zunehmen, wenn auch nur um 0,2 Prozent.
Fortschritt statt Stillstand: Bei Amtsantritt im Dezember 2021 strotzte das Triumvirat noch vor Öko-Kraft
© Ralph Pache/
Ähnlich bitter ist die Ampelbilanz im Verkehr. Auch das E-Auto wurde in den eigenen Reihen zerredet. Koalitionäre warfen plötzlich mit Worten wie „Technologieoffenheit“ und „E-Fuels“ herum, um die feuchten Träume wahlberechtigter Männer von röhrenden, qualmenden Verbrennern zu bedienen. Mehr noch: Die Ampel verunsicherte – überraschend – vor fast genau einem Jahr Hersteller und Verbraucher gleichermaßen mit ihrer kopflosen Entscheidung, spontan die Umweltprämie für Elektroautos zu streichen.
Lehre: Was ökonomisch sinnvoll sein kann, ist psychologisch nicht unbedingt empfehlenswert. Nach einer neuen Studie der Unternehmensberatung Deloitte wird nun das Ampel-Ziel, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge auf deutschen Straßen zu bringen, drastisch verfehlt; es dürften lediglich 11,2 Millionen werden.
Der Verkehrssektor reißt dreimal seine Klimaziele
Die Folgen des Subvention-Aus für sind für Ökologie wie Ökonomie erheblich. Der Verkehrssektor hat inzwischen zum dritten Mal in Folge seine Klimaziele gerissen und wird es auch 2024 tun. Zugleich gerät die deutsche Automobilindustrie, die seit Jahren auf E-Mobilität umrüstet, weil es eben eine ausgemachte Sache ist, immer stärker unter Druck. Währenddessen brummt der Sektor im weltgrößten Automarkt China, wo niemand das Primat der Stromer mehr infrage stellt, so laut wie nie. Und nichts spricht dafür, dass deutsche Autobauer unter einem wild fabulierenden Auto-Kanzler Merz diesen Abstand schnell aufholen könnten.
Ein Schuss in den Ofen war auch das Heizungsgesetz, das eigentlich Gebäudeenergiegesetz heißt und ursprünglich unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel von der Groko verabschiedet worden ist. Die Ampel passte es an, kommunizierte aber den nötigen und wichtigen Umbau der Wärmeversorgung dilettantisch. Die externe, aber auch die interne Opposition namens FDP nutzten die Gunst der Stunde, Habecks Pläne ins Lächerliche zu ziehen. Das wiederum verunsicherte die Verbraucher maximal, und sie kauften immer mehr Öl- und Gasheizungen, deren Kosten ihnen ziemlich sicher in Zukunft über den Kopf wachsen, statt Wärmepumpen.
Man kann der Ampel zumindest zugutehalten, dass sich der Zubau von Wind- und Sonnenkraft in ihrer Ägide spürbar beschleunigt hat. Auch kommt der Stromnetzausbau besser voran. In der Tendenz ging die Ampelrechnung also offenbar auf: Im gesamten dritten Quartal stammten 63,4 Prozent des deutschen Stromangebots aus erneuerbaren Quellen – ein neuer Rekord.
Das Duell: Merz vs Scholz 9:37
Es fehlen Speicher, Stromleitungen, Biokraftwerke
Doch auch hier gibt es ein fettes „Aber“: Im trüben und windarmen November waren es plötzlich nur noch 44 Prozent Grünstrom; im Vergleich zu 2023 wurde sogar wieder mehr Gas und Kohle verstromt. Solche Rückschläge kommen zustande, weil auch die Ampel – wie die Große Koalition zuvor – nicht genug große Stromspeicher, Stromautobahnen und zuverlässige Biokraftwerke herbeigeschafft hat.
Die Folge: 2023 gingen Deutschland 10,5 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erneuerbaren Energien verloren, weil die Sonnen- und Windkraftwerke zu viel Energie einspeisten, die Netze überlasteten und deshalb einfach abgeschaltet wurden. Das waren knapp vier Prozent der gesamten Erzeugung aus Erneuerbaren Energien.
Was bedeutet das alles für die kommende Legislaturperiode unter einer neuen Koalition? Sicher nichts Gutes. Als die Ampel antrat, hatte sie 27 Gesetze geplant, um Umwelt- und Klimaschutz zu verfestigen und die Transformation der Wirtschaft zu unterstützen. Nur neun davon sind komplett umgesetzt worden.
Jetzt nur bitte nicht Schwarz-Gelb
Es bleibt zu hoffen, dass die Parteien zur Vernunft kommen, wenn das Wahlkampfgetöse verstummt ist. Nimmt man die Ampelbilanz als Grundlage, um Schlüsse für die ökologische Kraft möglicher Koalitionspartner der kommenden Regierung zu ziehen, müsste man wohl erstens sagen: Drei sind einer zu viel. Zweitens: Die ungünstigste Kombination für Mutter Erde wäre das Duo Merz und Lindner. Drittens: Die effizienteste wäre womöglich Schwarz-Grün, denn die Parteien könnten, so wie kommunizierende Röhren, für gesellschaftlichen Ausgleich sorgen und dabei den Umweltschutz vorantreiben.
Zumindest wenn es so melodisch abläuft wie bei der NRW-Landesregierung unter Hendrik Wüst und Mona Neubaur. Das Paar ist im Volk überraschend beliebt – und schneidet auch faktisch ausgerechnet beim Klimaschutz ziemlich gut ab.