Continental bildet seit 2015 Geflüchtete aus Syrien bei sich aus. Viele von ihnen arbeiten bis heute dort. Der Ausbildungsleiter spricht über Erfolge, Rückschläge und deutsche Freizeitkultur.
Als 2015 Hunderttausende von Menschen vor dem Bürgerkrieg in Syrien flohen, kümmerte sich auch der Autozulieferer Continental in seinem Ausbildungsprogramm um die Neuankömmlinge. Das war nicht immer leicht, aber bis heute arbeiten viele Syrer im Unternehmen. Hanno Gieseke, Aus- und Weiterbildungsleiter Deutschland bei Continental, geht davon aus, dass die neuen Mitarbeiter auch bleiben werden
In welchem Rahmen wurden bei Ihnen Syrer im Unternehmen aufgenommen?
Wir haben das zunächst ab 2015 im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung gemacht. Dieses Programm gab es auch schon vor der Flüchtlingskrise und war ursprünglich allgemein für junge Menschen gedacht, die bezogen auf ihre Kompetenzen noch nicht ausbildungsfähig sind. Es wurde dann stark für Geflüchtete genutzt. Die Qualifizierung dauert zwischen sechs und zwölf Monaten und soll die Menschen befähigen, eine Ausbildung zu beginnen. Da geht es um Deutschkenntnisse, aber auch um ganz grundlegende Dinge wie pünktliches Erscheinen, Zuverlässigkeit und ähnliches.
Wie stark wurde das genutzt?
Seit 2015 haben ungefähr 150 Geflüchtete teilgenommen, von denen mit Abstand die größte Gruppe aus Syrien kam. Denen, die nach dieser Phase aus unserer Sicht ausbildungsfähig waren, haben wir dann einen Ausbildungsplatz angeboten, was sie in der Regel auch angenommen haben. Das waren bis heute etwas mehr als 70 Personen. Es haben also längst nicht alle geschafft, weil es zum Beispiel sprachliche Barrieren gab. Manche waren auch durch Krieg und Flucht so traumatisiert, dass sie einfach nicht arbeitsfähig waren.
Wie haben sich die entwickelt, die eine Ausbildung beginnen konnten?
Die allermeisten haben sie auch erfolgreich abgeschlossen. Da wurden Mechatroniker und Elektroniker ausgebildet, aber auch Kunststoff- und Kautschuktechnologen für die Reifenproduktion. Insgesamt mehr als 40 von ihnen wurden fest übernommen. Und sie sind zum größten Teil bis heute im Unternehmen beschäftigt. Das ist übrigens ähnlich wie bei unseren deutschen Auszubildenden.
Ist denn auch die Quote derer, die übernommen wurden, vergleichbar?
Ja, das ist sie. Es gibt keine Übernahmegarantie bei Continental, sondern wir schauen uns immer den Einzelfall an und es kommt auch vor, dass es einfach nicht passt. Aber natürlich gibt es auch Auszubildende, die sich selbst nach ihrem Abschluss dafür entscheiden, etwas anderes zu machen. Auch bei den Geflüchteten.
Setzt Continental das Programm jetzt fort – mit anderen Geflüchteten?
Ja. In der Hochphase der Krise von 2015 hatten wir bis zu 50 Einstellungen pro Jahr. Das ist zurückgegangen. Aber wir bieten immer noch 30 Plätze pro Jahr an. Die Zahl der Syrer ist zurückgegangen. Und für die Geflüchteten, die jetzt zum Beispiel aus der Ukraine kommen, passt das Modell mit der Ausbildung nicht so gut.
STERN C Syrer Arbeitsmarkt 14:56
Warum?
Bei den syrischen Geflüchteten kamen viele junge Männer, die noch keine Ausbildung hatten, aber vorhatten, lange zu bleiben. Da passte das. Die ukrainischen Geflüchteten sind überwiegend schon ausgebildet, und es sind viele darunter, die sich vorstellen können, schon bald wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Daher ist eine Ausbildung für die meisten nicht so attraktiv. Da geht es eher um einen Direkteinstieg.
Was haben Sie im Unternehmen aus diesem Programm gelernt?
Ich denke, wir haben verstanden, dass man schon mehr investieren muss, um diese Menschen ausbildungsfähig zu machen. Das muss man wollen, und wir wollten das auch. Aber man muss sich dessen bewusst sein, dass viele der Geflüchteten am ersten Tag noch sehr weit weg sind von einer Industriewelt. Ihnen ein Berufsbild zu erklären, ein Schichtsystem oder die Struktur eines Arbeitsplatzes ist anfangs nicht immer leicht. Dabei spielen natürlich auch die Deutschkenntnisse eine Rolle. Die Kenntnisse, die in der Arbeitsagentur vermittelt worden waren, reichten oft nicht aus, da mussten wir Zusatzkurse ansetzen. Dafür haben wir auch Tandems gegründet.
Also Teams mit deutschen Auszubildenden?
Genau. Damit sie auch kulturell ein bisschen andocken konnten. Sie wurden zum Beispiel von ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen ins deutsche Vereinswesen eingeführt, zum Sport mitgenommen oder zur Freiwilligen Feuerwehr. Im Grunde haben wir gezeigt, was wir in unserer Freizeit so machen, damit sie uns Deutsche besser verstehen.
Seit dem Ende des Assad-Regimes gibt es in Deutschland eine Debatte darüber, ob die syrischen Geflüchteten bald wieder in ihr Heimatland zurückkehren sollten. Spielt das unter Ihren Mitarbeitern eine Rolle?
Ich habe dazu nicht mit Einzelnen gesprochen. Ich weiß aber, dass es bei den ehemaligen Azubis eine sehr starke Verbundenheit zu unserem Unternehmen gibt. Einige sind mittlerweile ja schon fast zehn Jahre bei Continental und bringen unserem Unternehmen eine sehr hohe Wertschätzung entgegen. Viele haben sich hier ein ganz neues Leben aufgebaut und nicht jeder wird bereit sein, das aufzugeben.
Befürchten Sie, dass einige jetzt gehen müssen?
Alle, die bei uns beschäftigt sind, haben eine Arbeitserlaubnis. Wir haben auch keine Signale bekommen, wonach diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Land verlassen müssten.