Die Schulen in Syrien haben wieder geöffnet, sogar christliche Gottesdienste finden wieder statt. Aber gerade unter Christen ist das Misstrauen gegenüber den neuen Machthabern groß.
Eine Woche nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad kehrten Schüler in ganz Syrien erstmals wieder in ihre Klassenzimmer zurück, während Christen erstmals wieder am Sonntagsgottesdienst teilnahmen. Offiziellen Angaben zufolge öffneten die meisten Schulen im Land am Sonntag, der in vielen arabischen Ländern der erste Tag der Arbeitswoche ist. Die neuen Machthaber hatten zuvor die Wiedereröffnung der Schulen angeordnet. Einige Eltern schickten ihre Kinder allerdings aufgrund der unsicheren Lage noch nicht wieder zum Unterricht.
Die Straßen im überwiegend christlichen Damaskus-Viertel Bab Touma füllten sich am Sonntagmorgen mit Gläubigen, die aus der Kirche kamen. „Wir haben Angst, wir haben immer noch Angst“, sagte die Anwohnerin Maha Barsa, nachdem sie eine Messe besucht
hatte. Sie hat ihr Haus seit der Machtübernahme durch die islamistische Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) vor einer Woche kaum verlassen. Allerdings sei nichts passiert, was ihre Besorgnis rechtfertigen würde. „Die Lage ist unklar“, fügte hinzu.Wie Assad die Flucht aus Syrien gelang 20.59
Auch in Latakia ist das Misstrauen der Christen groß
Auch in der Küstenstadt Latakia, die lange Zeit eine Assad-Hochburg war, ist das Misstrauen vieler Christen noch groß. „Gott sei Dank erhielten wir viele Zusicherungen und wir sahen, dass HTS-Mitglieder Kontakt zu unserem Priester aufnahmen“, sagte Lina Akhras, Sekretärin des Gemeinderats der griechisch-orthodoxen St.-Georgs-Kathedrale.
Syrien ist die Heimat zahlreicher ethnischer und religiöser Minderheiten, darunter Christen, Armenier, Kurden und Schiiten. Die Familie Assad selbst gehört im überwiegend sunnitischen Syrien zur alawitischen Minderheit, einem Ableger des schiitischen Islam. Schüler warteten am Sonntagmorgen im Innenhof eines Jungen-Gymnasiums in Damaskus und applaudierten, als der Schulsekretär Raed Nasser die von den neuen Behörden eingeführte Flagge aufhing. „Alles ist gut“, betonte Nasser. „Wir haben zwei, drei Tage gearbeitet, um die Schule so auszustatten, dass die Schüler sicher zurückkehren können.“ Die Jawdat al-Haschemi-Schule sei während der dramatischen Ereignisse nicht beschädigt worden.
Syrien: eine neue Flagge an der Wand
In einem Klassenzimmer klebte ein Schüler die neue syrische Flagge an eine Wand. „Ich bin optimistisch und sehr glücklich“, sagte Salah al-Din Diab. „Früher ging ich immer auf die Straße in der Sorge, zum Militärdienst eingezogen zu werden. Ich hatte immer Angst, wenn ich einen Kontrollpunkt erreichte.“
In Syrien hat nach Assads Sturz eine Übergangsregierung unter der Leitung von Mohammed al-Baschir die Führung übernommen. Der bislang wenig bekannte al-Baschir will diese bis zum 1. März 2025 führen. Eine von der Rebellengruppe HTS geführte Offensive hatte am 8. Dezember zum Sturz Assads geführt, der nach Moskau floh. Die HTS ist ein ehemaliger Ableger des Islamisten-Netzwerks Al- Kaida. Obwohl sie sich von diesen Ursprüngen nach eigenen Angaben gelöst hat, wird sie von den Vereinten Nationen, den USA, der EU und der Türkei als Terror-Organisation eingestuft.