Zum Kanzlerduell im Fernsehen sind Friedrich Merz und Olaf Scholz eingeladen, nicht aber Robert Habeck von den Grünen: Ist das ungerecht?
Ein Schreckensszenario der Grünen scheint sich zu bestätigen: dass sie im Wahlkampf zwischen dem noch amtierenden Kanzler und dem Oppositionsführer untergehen könnten. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF haben Olaf Scholz von der SPD und Friedrich Merz von der CDU zum Duell vor der Bundestagswahl eingeladen. Nicht dabei: Robert Habeck von den Grünen. Auch RTL, zu dem der stern gehört, strahlt ein solches Duell aus.
Werden die Grünen dadurch vor der Wahl benachteiligt? In Umfragen liegen zwischen ihnen und der SPD nur zwischen einem und fünf Prozentpunkten. Spitzengrüne verweisen auf den Wahlkampf 2021, als nicht nur der CDU-Kandidat und die Grünen-Kandidatin eingeladen waren, die in den Umfragen führten, sondern auch Scholz von der SPD, der später Kanzler wurde.
Einklagen ins Kanzlerduell?
Was nun? Die Grünen könnten vor Gericht ziehen. Experten sehen allerdings unterschiedliche Chancen auf Erfolg. Für den Rechtswissenschaftler Hubertus Gersdorf von der Universität Leipzig ist klar: „Nicht nur Olaf Scholz und Friedrich Merz müssen eingeladen werden, sondern natürlich auch Herr Habeck.“ Der Grund: Habeck und Scholz hätten ähnlich große – oder geringe – Chancen auf die Kanzlerschaft. Er sieht für Habeck „gute Aussichten“ einer solchen Klage.
Anders sei das bei der Kandidatin der AfD, Alice Weidel, die bereits angekündigt hat, rechtliche Schritte zu prüfen. Weil sie keine Chance habe, Kanzlerin zu werden, könne es zulässig sein, sie nicht einzuladen. Die anderen Parteien haben Koalitionen mit der AfD ausgeschlossen.
Madeline Trappmann, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Köln, allerdings hält den Erfolg einer Klage auch im Fall von Habeck für „gering“. Sie verweist auf das Jahr 2002, als die FDP mit einer ähnlichen Klage scheiterte, obwohl sie damals auf immerhin acht bis 10 Prozent in den Umfragen kam. Bei der Entscheidung, wer eingeladen wird, gebe es verschiedene Kriterien: „Die Umfrageergebnisse, aber auch die Dauer des Bestehens, Regierungsverantwortung, Repräsentation in Parlamenten und so weiter.“ Sie legt sich fest: „Wenn man diese Kriterien heranzieht, liegt die SPD sicher vor den Grünen – selbst, wenn die Umfrageergebnisse noch volatil sind.“
Habeck hat Duell mit Weidel bereits abgesagt
Experte Gersdorf sieht allerdings noch einen ganz anderen Fallstrick – ob ein solches Kanzlerduell als Format überhaupt zulässig ist: Es gebe schließlich nur einen Kanzlerkandidaten mit realistischen Chancen auf das Amt, und der heiße Friedrich Merz. Das gesamte Konzept müsste auf Plausibilität geprüft werden. „Ich glaube, einer solchen Prüfung kann das Kanzlerduell vor Gericht nicht standhalten.“ Die Konzeption der Sendungen müsste, um rechtssicher zu sein, geändert werden, und zwar „in ein größeres Format, zu dem die Kandidaten aller größeren Parteien eingeladen werden – auch Frau Weidel.“
STERN PAID 49_24 Robert Habeck
Trappmann sieht das anders. Dass sich die Sender nun für das Konzept entschieden hätten, den Kanzler gegen den stärksten Herausforderer antreten zu lassen, sei nicht „prinzipiell unzulässig.“ Sicher wissen, was vor Gericht passiert, könne man aber nie.
Ob das Kanzlerduell noch zum Triell wird, oder sogar zu einer noch größeren Runde, ist also noch unsicher. Nur eines ist klar: Die ursprüngliche Idee der öffentlich-rechtlichen Sender, zwei verschiedene Duelle – Merz gegen Scholz, Habeck gegen Weidel – zu veranstalten, ist gescheitert: Robert Habeck hat abgesagt.