Zerstörerische Überbleibsel: Experten entschärfen 13 Fliegerbomben im Norden

Mehr als 40.000 Tonnen Bomben warfen die Alliierten im Krieg über Schleswig-Holstein ab. Noch immer finden Experten Blindgänger – nicht nur bei der Suche auf künftigem Baugrund.

Der Kampfmittelräumdienst hat 2024 erneut 13 Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg in Schleswig-Holstein unschädlich gemacht. „Wir liegen im Schnitt meistens bei 20 Bomben im Jahr“, sagte Leiter Oliver Kinast der Deutschen Presse-Agentur. Es habe 2024 aber weniger Anträge von Bauherrn auf Überprüfung der Grundstücke gegeben.

„Das wird wahrscheinlich auch damit zu tun haben, dass die wirtschaftliche Lage momentan ein bisschen prekärer ist“, sagte Kinast. In 90 Gemeinden des Nordens müssen Baugrundstücke vor Start der Bauarbeiten auf Munitionsaltlasten überprüft werden. „Die Bearbeitungszeit liegt im Moment bei rund fünf Wochen“, sagte Kinast.

Die Kosten für die Arbeit der Experten des Kampfmittelräumdienstes tragen die Grundstückseigentümer. Das Land steigt erst im Rahmen der Gefahrenabwehr ein, ab dem Zeitpunkt eines konkreten Blindgänger-Fundes. Zuvor können je nach Beschaffenheit des Grundstücks und möglichen Verdachtsfällen schnell 2.000 bis 3.000 Euro an Kosten entstehen. Sei eine Grundwasserabsenkung nötig, könne dieser Betrag aber auch auf 10.000 Euro steigen, sagte Kinast.

Größte Bombe aus Zweitem Weltkrieg

Der 57 Jahre alte Kinast ist seit 2010 Chefentschärfer des nördlichsten Bundeslandes. In den vergangenen Jahren hat er zahlreiche Weltkriegsbomben unschädlich gemacht. „Ich habe sie nicht gezählt, aber über 200 sind es, denke ich, schon“, sagte Kinast. Er erinnert sich aber an spezielle Bomben, bei denen seine Arbeit besonders schwierig oder auffällig war.

Dazu zählt auch die Entschärfung eines sogenannten Wohnblockknackers Ende März auf einem schwimmenden Ponton auf der Kieler Förde. Die 1,8 Tonnen schwere Luftmine hatten Soldaten des 3. Minensuchgeschwaders durch Zufall bei einer Übung auf dem Grund der Förde entdeckt. Sie verfügte über drei Zünder.

Luftminen gehören nach Angaben der Polizei zu den größten Bomben, die im Zweiten Weltkrieg abgeworfen wurden. Die meisten Fliegerbomben, die in Kiel gefunden werden, wiegen 250 beziehungsweise 500 Kilogramm. Die Stadt war Marine-, Werft- und Industriestandort. „Entlang der Förde war es fast egal, was man trifft. Es war immer kriegswichtig“, sagte Kinast. Kiel sei lohnendes Bombenziel gewesen.

Nach Angaben der Stadt fielen bei 90 Luftangriffen 44.000 Sprengbomben, 900 Minenbomben und rund 500.000 Brandbomben.

Noch viel Arbeit

Die Blindgänger-Quote liege zwischen 10 und 15 Prozent, sagte Kinast. Er geht davon aus, dass der Großteil der Munitionsaltlasten an Land mittlerweile unschädlich gemacht ist. Wie viele der gefährlichen Hinterlassenschaften aber noch im Boden liegen, ist unklar. „In den antragspflichtigen Gemeinden haben wir in den letzten sieben Jahren keine Bombe mehr durch Zufall gefunden“ Stattdessen seien diese bei der Überprüfung konkreter Verdachtspunkte lokalisiert worden.

Nach dem Krieg waren Blindgänger teils leicht zu finden, weil die Einwirkungen noch zu sehen waren. „Wir sind jetzt tätig in Bereichen, die früher technisch gar nicht so zu finden waren“, sagte Kinast.

Der Experte, die vier weiteren Entschärfer und die gut 40 weiteren Mitarbeitenden des Kampfmittelräumdienstes müssen im Zweifel auch außerhalb der Bürozeiten ran. Bei diesen rund 200 Einsätzen im Jahr handelt es sich in vier von fünf Fällen um Zufallsfunde durch Spaziergänger, Pilzsammler oder Landwirte, wie Kinast sagte. Es seien aber auch schon Hunde auf der Suche nach dem Stöckchen mit einer Handgranate zurückgekommen.

„Wir müssen immer noch pro Jahr so ungefähr 80.000 Stück Munition beseitigen“, sagte Kinast. 2024 seien mehrere 100 Handgranaten darunter gewesen. Mehrere hundert holten Taucher alleine aus einem See.