Auch im Fall Maddie verdächtig: Staatsanwaltschaft will neue Richter im Christian-B.-Prozess

Der auch im Fall Maddie Verdächtige muss sich in Braunschweig vor Gericht verantworten. In dieser Woche wurde der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben. Die Anklagebehörde geht dagegen vor.

Im Vergewaltigungs-Prozess gegen den auch im Fall Maddie verdächtigen Christian B. hält die Staatsanwaltschaft die drei Berufsrichter für befangen und will sie ablösen lassen. Anlass sei der Beschluss vom vergangenen Mittwoch, mit dem der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufgehoben wurde, teilte die Anklagebehörde mit. Die Staatsanwaltschaft befürchtet, dass die Strafkammer sich ihre Meinung zur Tat- und Schuldfrage bereits gebildet habe – obwohl die Beweisaufnahme voraussichtlich noch bis mindestens Oktober laufe. Sie beantragte daher die „Neubesetzung mit unparteiischen Richterinnen und Richtern“.

Darüber hinaus kündigte die Staatsanwaltschaft an, Beschwerde gegen die Aufhebung des Haftbefehls einzulegen. Den Antrag dazu hatte ursprünglich die Verteidigung von Christian B. gestellt. Die Kammer sah am Mittwoch in sämtlichen Anklagevorwürfen keinen dringenden Tatverdacht mehr und folgte dem Antrag der Verteidigung. Der Sexualstraftäter bleibt aber im Gefängnis, weil er derzeit eine Haftstrafe wegen der Vergewaltigung einer US-Amerikanerin absitzt, Tatort war Portugal. Verteidiger Friedrich Fülscher sprach von einer wegweisenden Entscheidung des Gerichts. Er gehe nun davon aus, dass der Prozess auf einen Freispruch hinauslaufe.

Entscheidung bis zum 5. August

Über den Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft soll die zuständige Vertretungskammer bis zum nächsten Verhandlungstag am 5. August entscheiden, falls er als zulässig eingestuft wird, wie das Gericht mitteilte. Fülscher nannte den Antrag eine Verzweiflungstat.

Vor dem Landgericht Braunschweig muss sich der 47-jährige Christian B. wegen fünf schwerer Sexualstraftaten verantworten, die er in Portugal begangen haben soll. Es geht um drei Vergewaltigungen sowie zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern zwischen 2000 und 2017. Anders als beim vorangegangenen Prozesstermin Ende Juni kam Christian B. nicht mit einem Rollstuhl sowie Fußfesseln und einem Bauchgurt in den Verhandlungssaal. Verteidiger Philipp Marquort hatte damals gesagt, dass sein Mandant über Fußschmerzen geklagt habe und behandelt worden sei.

Prozess zunächst fortgesetzt

Inhaltlich ging der Prozess trotz des Befangenheitsantrages zunächst mit der Aussage eines Gutachters weiter. Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob ein Wiedererkennen eines Täters allein anhand der Augen möglich ist. Der Sachverständige sagte in dem Zusammenhang, dass blaue Augen auch bei Dunkelheit zu erkennen seien.

Hintergrund ist der Fall einer Irin, die 2004 in Portugal vergewaltigt wurde. Sie hatte als Zeugin von „stechend blauen Augen“ berichtet. „Seine Augen, ich glaube, dieser Mann ist der Angreifer“, sagte sie dem Gericht. Die Verteidigung hielt ein Wiedererkennen nur anhand der Augenfarbe für unmöglich. Der Gutachter hatte auch gesagt, dass es in der Wahrnehmung von Augenfarben keine Unterschiede gebe: „Blau ist blau.“ Stechend oder strahlend blaue Augen kämen aus dem Bereich der Poesie.

Großes Interesse erweckt das Verfahren vor allem, weil der Angeklagte auch im Fall der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen dreijährigen Madeleine „Maddie“ McCann unter Mordverdacht steht. Der Fall Maddie ist aber offiziell nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Ermittlungen zum Verschwinden der dreijährigen Britin im Mai 2007 aus einer Ferienanlage im portugiesischen Praia da Luz an der Algarve dauern an. Es gilt die Unschuldsvermutung.