In Europa gibt es zwei verschiedene Wahlsysteme. Beide haben Vor- und Nachteile. In Großbritannien hat die Labour-Partei nun von dem Mehrheitsrecht profitiert.
Nach 14 Jahren haben die Briten ihre konservative Regierung abgewählt. Die Tories fuhren das schlechteste Wahlergebnis seit ihrer Gründung 1834 ein. Das britische Unterhaus wird nun mehrheitlich von der Labour-Partei besetzt. Bei der Abstimmung hat Labour knapp zwei Prozentpunkte dazugewonnen und knapp 34 Prozent der Stimmen geholt. Trotzdem gewann die Partei zwei Drittel der Sitze im Unterhaus. Wie passt das zusammen?
Zwei Wahlsysteme in Europa
Das liegt am Wahlrecht. In Europa gibt es zwei verschiedene Wahlsysteme: In Ländern wie Deutschland und Österreich stimmen die Menschen nach dem Verhältniswahlrecht ab. Die Zahl der Mandate einer Partei richtet sich dort nach dem prozentualen Stimmanteil in der Bevölkerung, damit die Bedürfnisse der Bevölkerung im Parlamentent möglichst breit vertreten sind und berücksichtigt werden.PAID UK-Wahl: Labours Triumph 9.33
In Ländern wir Großbritannien, Spanien, Italien oder Frankreich wird nach dem Mehrheitswahlrecht abgestimmt. Die Zahl der Wahlkreise richtet sich nach der Zahl der zu vergebenden Mandate. In einem Wahlkreis gewinnt immer der Kandidat mit den meisten Stimmen. Dabei ist unerheblich, wie hoch oder niedrig der Prozentsatz an den Gesamtstimmen ist. Ein Beispiel: In einem Wahlkreis mit drei Kandidiaten gewinnt der Kandidat ein Direktmandat, mit den meisten Stimmen – unabhängig davon, ob der Stimmanteil 50 oder 25 Prozent an der gesamten Abstimmung ausmacht. Die Stimmen für die Herausforderer verfallen.
Großbritannien ist übrigens das einzige Land in Europa, in dem dafür ein einziger Wahlgang ausreicht. In Frankreich beispielsweise scheiden in mehreren Runden die Kandidaten mit den wenigsten Stimmen aus, bis ein Kandidat die absolute Mehrheit erhält. Ziel ist eine klare parlamentarische Regierungsmehrheit einer Partei oder eines Parteienbündnisses zu etablieren.
Mehrheitswahl in Großbritannien: Vor- und Nachteile des Systems
Regierungen in Ländern mit Mehrheitswahl gelten als stabil, weil die Machtverhältnisse nach der Wahl feststehen und keine langwierigen Koalitionsverhandlungen stattfinden. Die Regierungspartei hat im Parlament meist während der gesamten Legislatur die absolute Mehrheit. Zusätzlich gilt das System als bürgernah, weil die Abgeordneten direkt von der Bevölkerung im jeweiligen Wahlkreis bestimmt werden.
Allerdings wird das Wahlsystem auch als unfair kritisiert, weil kleinere Parteien wenig Chancen auf Mandate haben und Teile der öffentlichen Meinungen sowie Minderheiten ausgeschlossen werden. Gesellschaftliche Interessen werden auch deshalb weniger repräsentiert und diskutiert, weil die Regierungspartei den Großteil der Parlamentssitze besetzt. In Zweiparteiensytemen wie in Großbritannien, Frankreich oder Italien führt das Wahlsystem zu Lagerkämpfen.
Kleiner Fun-Fact am Rande: Eine Alternative zum Mehrheitswahlrecht gibt es in Europa seit knapp über hundert Jahren. Belgien hat 1889 als erstes Land in Europa das Verhältniswahlrecht eingeführt.
Quellen: Europäisches Parlament,Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung, Bundeswahlleiterin