Haushalt: Methode Ampel: Und immer wieder geht die Sonne auf

Ist ja nochmal gut gegangen. Oder? Die Ampel hat sich nach langem Ringen auf Eckpunkte für einen Haushalt geeinigt. Der Kanzler ist begeistert – und seine SPD angefressen. 

Der Kanzler hat kleine müde Augen, aber auch ein breites Grinsen im Gesicht. Das hat doch alles ganz gut geklappt, nicht? Mja.

Am frühen Freitagmorgen steht die Einigung, es war mal wieder politische Schwerstarbeit. Erst kurz vor sechs Uhr sollen sich die Ampel-Spitzen auf die Eckpunkte für den Haushalt 2025 verständigt haben, dem Vernehmen nach wurde die gesamte Nacht über verhandelt, überwiegend in der Kanzlerwohnung des Kanzleramts. 

„Augen auf bei der Berufswahl“, witzelt Wolfgang Schmidt, Scholz‚ rechte Hand, als er nach der Nachtsitzung auf Journalisten trifft. An Schlaf war für den leiderprobten Kanzleramtschef, bei dem die 40-Stunden-Woche oft schon mittwochs voll sei, wohl auch nicht zu denken. 

Ein vorzeitiges Ampel-Aus ist erstmal abgewendet, das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Der Streit um den Etat für kommendes Jahr hat tiefe Gräben in der Koalition hinterlassen, oder besser gesagt: die bereits vorhandenen zusätzlich vertieft. 

Der Kanzler mag zwar Nervenstärke beweisen, wie er selbst gern betont. Aber was nützt das, wenn die Abgeordneten die Nerven verlieren? 

„Herzliche Grüße und einen guten Sommer“

Monatelang haben Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner in vertrauter Runde um die Einigung gerungen. Lindner zählt insgesamt 23 Treffen und 80 Stunden, die das Dreiergespann im Kanzleramt abgerissen habe. Dabei weitgehend außen vor: die Ampel-Fraktionen, die nach allem, was man weiß, den Haushalt als Gesetzgeber nun ins Ziel bringen müssen.

Nun steht der Etatentwurf, ebenso ein Wirtschaftspaket und ein Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Doch der Frust über den Arbeitsmodus der Ampel ist groß, vor allem in der Kanzlerpartei. 

Dem SPD-Fraktionschef wurde es irgendwann zu bunt, auch deswegen setzte Rolf Mützenich für 7 Uhr eine Sondersitzung im Otto-Wels-Saal im Bundestag an. Der Kanzler sollte wenigstens eine „politische Erklärung“ darüber abgeben, wohin die Reise beim Haushalt geht, einen „klaren Hinweis“ geben, womit die Genossen zu rechnen haben. Und zwar noch vor den Parlamentsferien, die an diesem Freitag beginnen. Es war auch eine Einladung zum Rapport. 

Scholz im Schwitzkasten 8.40

Wer weiß, ob der Kanzler ohne den massiven Druck aus seiner Fraktion die Einigung bis Freitag angestrebt hätte, mit verbindlichen Aussagen, wie der Haushalt 2025 aussehen soll. Der Verdacht liegt nahe. 

Nachdem Scholz hinter verschlossenen Türen die Ergebnisse vorstellt, verlangt Fraktionschef Mützenich ein Schriftstück. Er will offenkundig schwarz auf weiß haben, was sich die Dreierrunde überlegt hat. Möglicherweise auch in der Hoffnung, dass diese Überlegungen weiter ausbuchstabiert werden. Denn Scholz liefert Teilnehmern zufolge vor allem Stichpunkte zu den Vorhaben, wenig konkrete Zahlen. Fraktionschef Mützenich kritisiert eine „unübliche Haushaltserstellung“ und knöpft sich FDP-Finanzminister Lindner vor, der seinen Job nicht mache. Scholz bittet um Unterstützung der Fraktion.

Aber die Genossen sind angefressen. Weniger vom Kanzler, mehr von den Liberalen. Der Grund dafür steht auch im gewünschten Schriftstück, das Scholz am Mittag an seine Genossen verschicken wird: Die Schuldenbremse wird nicht angetastet. Die Erklärung einer Notlage, die von den Sozialdemokraten vehement eingefordert wurde, ist nicht Teil der Lösung. „Nach diesen Krisenjahren bewegen wir uns jetzt in dem finanziellen Rahmen, den uns die Verfassung vorgibt“, schreibt Scholz. „Herzliche Grüße und einen guten Sommer.“ 

Ein Punktsieg für Christian Lindner und die FDP, die sich in dieser Angelegenheit keinen Millimeter bewegen wollten. Das Aufplustern der SPD? Folgenlos. Der Ärger bei den Genossen ist groß. Trotz aller Erleichterung darüber, dass ein Kompromiss zustande gekommen ist. Immerhin dahinter dürften sich alle Ampel-Partner ohne Einwände versammeln können.

Alles „aus einem Guss“, sagt Olaf Scholz

Denn die Lesarten zur Haushaltseinigung fallen höchst unterschiedlich aus. Welche Partei hat sich wo durchgesetzt? Schnell werden Papiere mit Sprachregelungen und Deutungen erarbeitet. Darin enthalten sind die – aus Sicht der Parteien – jeweils wichtigsten Details des Kompromisses. Dieses Vorgehen ist nicht ungewöhnlich, es ist Teil des politischen Spiels. Aber vielleicht auch ein Symptom dieser Regierung, die einfach keinen gemeinsamen Nenner finden will. 

„Wir machen es uns nicht immer leicht“, räumt der Kanzler ein, man ringe auch mal die halbe Nacht um Lösungen. Ansonsten versuchen Scholz, Habeck und Lindner bei der gemeinsamen Präsentation der Ergebnisse vor allem Geschlossenheit zu demonstrieren. Die Lösung sei „aus einem Guss“, sagt Scholz, „gut für Prosperität, Sicherheit und die Regierung“. Habeck und Linder ergänzen: „Alles gesagt.“ 

Aber ist es das?

Am 17. Juli will das Kabinett den Haushaltsentwurf beschließen. Damit bliebe also noch reichlich Zeit, diesen und jenen Punkt der Einigung in aller Öffentlichkeit zu zerreden. Es wäre nicht das erste Mal in dieser rauflustigen Koalition. 

Plötner vor U-Ausschuss 19.00

Und zur Erinnerung: Es handelt sich die Eckpunkte eines Entwurfs, der jetzt finalisiert werden muss. Dieser geht dann an die Parlamentarier, die alles in ein Gesetz gießen. Ab September geht’s offiziell los, doch die Debatte nimmt längst an Fahrt auf. Die Grünen monieren bereits Kürzungen in etlichen Fachressorts, die SPD „eine Menge Kunstgriffe“ in Sachen Finanzierung, nur die FDP wirkt ziemlich zufrieden.  

Kurzum: In der Ampel könnte sich weiterer Ärger anbahnen, sicher sehr zur Freude der Opposition.

Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten, das wissen auch Scholz, Habeck und Lindner. Es war zwar ein langer Tag, aber gedanklich sind sie schon beim Abend. Deutschland trifft im Viertelfinale der Fußball-EM auf Spanien. Wer macht’s? Der Kanzler prognostiziert ein 1:0, Lindner tippt 2:1, Habeck rechnet sogar mit einem 3:1. Da ist es mit der demonstrativen Einhelligkeit kurz vorbei. 

Aber Deutschland gewinnt, da sind sich die Ampel-Spitzen sicher.