Die frühere Cum-Ex-Ermittlerin Brorhilker sieht Defizite bei den Prioritäten von NRW-Justizminister Limbach. Was ist drängender: der Kampf gegen Umwelt- oder gegen Steuerkriminelle?
Die frühere Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker kritisiert Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). „Limbach hat sich, anders als sein Amtsvorgänger Peter Biesenbach (CDU), nicht für Cybercrime oder Cum-Ex stark gemacht, sondern eine Zentralstelle für Umweltkriminalität gegründet“, sagte die ehemalige Oberstaatsanwältin der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“.
Bisher sei nicht bekanntgeworden, dass es viele große internationale Umwelt-Strafermittlungsverfahren gebe. Dafür seien aber zahlreiche extrem umfangreiche Cum-Ex-Ermittlungsverfahren bekannt.
„Ich würde mir an dieser Stelle in der Landesregierung mehr Realismus wünschen“, sagte die Juristin der WAZ. „Egal, welcher Partei jemand angehört: Er sollte sich in erster Linie um die drängenden Probleme kümmern.“ Das gelte erst recht, wenn es dabei – wie bei Cum-Ex-Ermittlungsverfahren – um Milliardenschäden und zu erwartende hohe Freiheitsstrafen gehe.
Die frühere Kölner Oberstaatsanwältin galt als wichtigste Ermittlerin im Cum-Ex-Steuerskandal, bei dem Banken den deutschen Staat mithilfe illegaler Aktiendeals um geschätzt mindestens zehn Milliarden Euro prellten. In rund 120 Cum-Ex-Verfahren wurde in Köln unter Brorhilkers Führung gegen 1.700 Beschuldigte ermittelt.
Im April hatte Brorhilker überraschend um Entlassung aus dem Staatsdienst gebeten – bereits damals verbunden mit scharfer Kritik an der aus ihrer Sicht unzureichenden Aufarbeitung des Steuerskandals. Als Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende will sie nun mit öffentlichem Druck auf die Politik dafür kämpfen, dass gestohlene Steuergelder zurückgezahlt werden.
Bei Cum-Ex-Deals wurden Aktien mit (cum) und ohne Ausschüttungsanspruch (ex) rund um den Dividendenstichtag zwischen Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende erstatteten Finanzämter nicht gezahlte Kapitalertragssteuern.
Erst 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen. 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten sind. Inzwischen wurden manche Täter verurteilt, darunter Cum-Ex-Architekt Hanno Berger.