Sexualisierte Gewalt ist auch in der evangelischen Kirche ein Riesenthema, das lange verdrängt wurde. Aber langsam kommt auch hier die Aufarbeitung in Gang – mit einem ersten Forum für Betroffene.
Erstmals treffen sich Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie in Niedersachsen und Bremen zu einem gemeinsamen Forum. Das von der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) organisierte Treffen findet am kommenden Samstag in Hannover statt. Sie rechne mit 20 bis 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sagte die Geschäftsstellenleiterin der Aufarbeitungskommission, Ute Dorczok.
„In Hamburg waren es zehn bis zwölf, in Dortmund waren es 60 Teilnehmende“, sagte Dorczok mit Blick auf Parallelveranstaltungen in Nachbarbundesländern. Die Teilnehmer sollen ungestört und in einem geschützten Raum unter sich sein: Weder nehmen Pressesprecher von Kirche und Diakonie an der Veranstaltung teil, noch sollen Reporter dabei sein. Eine externe Moderation und ein sogenanntes Awareness-Team sollen das Treffen begleiten. „Vielleicht kommen im Lauf der Zeit noch mehr Betroffene, wenn das Forum bekannte ist“, sagte Dorczok.
Austausch und Vernetzung
Dieses erste Treffen dient laut Dorczok der Vernetzung und dem Austausch Betroffener, die sexualisierte Gewalt im kirchlichen Kontext erlebt haben. Es sollen aber auch Kontakte zu Vertretern von Kirche und Diakonie geknüpft werden. Außerdem sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch Informationen zum Aufbau der URAK bekommen. Betroffene sollen dort auch kontinuierlich mitarbeiten können.
Die Aufgaben der URAK sind unter anderem die quantitative Erhebung von Fällen sexualisierter Gewalt, um das Ausmaß in den Landeskirchen und den diakonischen Landesverbänden zu erkennen. Es sollen auch Strukturen identifiziert werden, die sexualisierte Gewalt ermöglicht, begünstigt und die Aufklärung erschwert haben.
Kritik Betroffener an Landeskirche
In der Landeskirche Hannover hatte es zuletzt Kritik Betroffener an Landesbischof Ralf Meister gegeben, er nehme das Thema sexualisierte Gewalt nicht ernst. Vier Betroffene hatten vor dem Start der Landessynode im Juni seinen Rücktritt gefordert. Meister hatte daraufhin einen Kulturwandel seiner Kirche im Umgang mit sexualisierter Gewalt angekündigt.
In Deutschland sind neun Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen gegründet worden. In ihnen sollen Expertinnen und Experten unter anderem aus Wissenschaft, Justiz und Verwaltung, Betroffene und Vertreter von Kirche und Diakonie zusammenarbeiten.
Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Diakonie hatten Ende vergangenen Jahres mit der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, verbindliche Standards und Kriterien für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt vereinbart.