US-Präsident Joe Biden hat Pläne für eine einschneidende Reform des mächtigen Obersten Gerichts des Landes bekanntgegeben. Unter anderem soll die bislang lebenslange Amtszeit der Richter am Supreme Court künftig auf 18 Jahre begrenzt werden, wie das Weiße Haus am Montag mitteilte. Auch soll es einen verbindlichen Ethik-Kodex für die Richter geben. Zudem will Biden per Verfassungsänderung die jüngste Entscheidung des Gerichts zur Immunität von Ex-Präsident Donald Trump rückgängig machen lassen.
Bidens Pläne haben angesichts der Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress allerdings absehbar keine Chance auf Umsetzung. Gebraucht würde dafür die Zustimmung von Trumps Republikanern, die derzeit die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen.
Die USA seien auf dem „einfachen, aber tiefgreifenden Prinzip“ aufgebaut worden, dass niemand über dem Gesetz stehe, begründete Biden sein Reformvorhaben in einem Meinungsbeitrag für die „Washington Post“. Dies schließe sowohl den Präsidenten als auch die Richter des Supreme Court ein. „Was gerade geschieht, ist nicht normal und untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Entscheidungen des Gerichts“, kritisierte Biden.
Vizepräsidentin Kamala Harris, die nach Bidens Verzicht aller Voraussicht nach zur neuen Kandidatin der US-Demokraten bei der Präsidentschaftswahl im November ernannt werden wird, bekundete ihre Unterstützung für Bidens Pläne. Der Supreme Court befinde sich in einer „klaren Vertrauenskrise“, erklärte sie. Die Reformen würden dazu beitragen, „das Vertrauen in das Gericht wiederherzustellen, unsere Demokratie zu stärken sowie sicherzustellen, dass niemand über dem Gesetz steht“, betonte Harris. Sie machte damit deutlich, dass sie bei einem Wahlsieg die Pläne weiterverfolgen will.
Bidens Vorschläge folgen auf mehrere hochkontroverse Entscheidungen des konservativ dominierten Supreme Court, darunter die Rücknahme des landesweiten Rechts auf Abtreibung im Juli 2022 sowie die Entscheidung zur weitreichenden Immunität amtierender und früherer Präsidenten gegen strafrechtliche Verfolgung Anfang des Monats. Dieser auf Antrag Trumps zustande gekommene Beschluss war von dem mit vier Strafverfahren konfrontierten Ex-Präsidenten als großer Erfolg bejubelt worden.
Bidens Reformkonzept sieht die Einführung eines Rotationsprinzips im neunköpfigen Richterkollegium am Supreme Court vor. Demnach soll der Präsident alle zwei Jahre eine Richterin oder einen Richter für jeweils 18 Jahre nominieren. Dies würde die Möglichkeit verringern, dass während einer Präsidentschaft auf Generationen hinaus „unangemessen großer Einfluss“ auf das Gericht ausgeübt werde, erläuterte das Weiße Haus.
Derzeit gibt es am Supreme Court eine klare Mehrheit von sechs konservativen Richtern gegen drei linksliberale Richterinnen. Drei Richter wurden von Trump während seiner Amtszeit nominiert, der damit selbst für die klare Dominanz des konservativen Lagers an dem Gericht sorgte.
Biden wollte später am Montag in einer Rede im US-Bundesstaat Texas näher auf die Reformpläne eingehen. Er fordert auch einen „verpflichtenden, durchsetzbaren“ Ethik-Kodex für die obersten Richterinnen und Richter. Das Verhalten einzelner Supreme-Court-Richter hat für Wirbel gesorgt. So steht der konservative Richter Samuel Alito in der Kritik, weil vor seinen Häusern Fahnen geweht hatten, die auch von fanatischen Trump-Anhängern benutzt werden.
Unter Druck geriet auch der konservative Supreme-Court-Richter Clarence Thomas – weil er sich von einem republikanischen Milliardär Luxusreisen und Privatflüge spendieren ließ. Zudem sieht sich Thomas wegen seiner Ehefrau mit Zweifeln an seiner Überparteilichkeit konfrontiert: Sie ist eine konservative Aktivistin, die sich in der Auseinandersetzung um die Präsidentschaftswahl 2020 Trumps Falschbehauptung zu eigen machte, seine Niederlage gegen Biden sei durch Betrügereien zustande gekommen.
Biden fordert nun unter anderem, dass sich Supreme-Court-Richter aus Fällen heraushalten, in denen „sie oder ihre Ehepartner finanzielle oder andere Interessenkonflikte haben“.
Der Rechtsexperte Steven Schwinn von der University of Illinois in Chance, stuft die Realisierungschancen von Bidens Vorhaben allerdings als „fast Null“ ein. Dem Präsidenten gehe es aber wahrscheinlich darum, den Supreme Court zu einem „Wahlthema“ zu machen, sagte Schwinn der Nachrichtenagentur AFP.