Ein ehemaliger hoher Beamter der Thüringer Justiz steht wegen Korruptionsvorwürfen vor dem Landgericht Gera. Eine seiner Vorgesetzten kritisiert im Zeugenstand dessen frühere Machtfülle.
Im Korruptionsprozess gegen einen ehemals leitenden Thüringer Justizbeamten hat die frühere Präsidentin des Oberlandesgerichts Jena, Astrid Baumann, dessen einst weitreichende Zuständigkeiten beanstandet. „Jeder kleine Verein hat einen extra Kassenwart“, sagte Baumann bei ihrer Vernehmung in dem Verfahren vor dem Landgericht Gera. Im Falle des ehemaligen Referatsleiters am Oberlandesgericht sei es aber so gewesen, dass dieser sowohl für den Haushalt, als auch für die Beschaffung sowie für das gesamte Personal des nicht richterlichen Dienstes verantwortlich gewesen sei.
Der einst führende Justizbeamte sitzt seit Ende Mai wegen Korruptionsvorwürfen auf der Anklagebank. Ihm werden Bestechlichkeit und Untreue in mehreren Fällen vorgeworfen. Er soll Unternehmern gegen private Darlehen Aufträge des Oberlandesgerichts zukommen lassen haben. Mitangeklagt sind in dem Prozess zwei Unternehmer, die sich auf diese Weise lukrative Aufträge der Justiz gesichert haben sollen.
Reservierungsgebühr als Deckmantel
Laut Staatsanwaltschaft soll der Ex-Bedienstete Schmiergeldzahlungen der Unternehmer an ihn mehrfach als „Reservierungsgebühr“ getarnt haben. In einigen Fällen soll der Mann so einige hundert Euro, in anderen Fällen mehrere tausend Euro angenommen haben. Alle Angeklagten hatten die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen.
„Ich habe diese Machtfülle schon lange für problematisch gehalten“, sagte Baumann. Mehrfach habe sie ihren Amtsvorgänger Stefan Kaufmann deshalb in persönlichen Gesprächen gebeten, ihr zumindest einen Teil der Personalverantwortung zu übertragen, die der Angeklagte damals gehabt habe. „Zunächst wurde mir diese Aufgabe nicht übertragen, obwohl ich mehrfach drum gebeten hatte.“
Schrittweise Entmachtung
Erst nach und nach habe sie einen Teil der Zuständigkeiten des ehemals leitenden Bediensteten aus dessen Zuständigkeit herausgelöst, sagte Baumann. Dabei hätten verschiedene Mitarbeiter des Oberlandesgerichts zunächst erst einmal lernen müssen, selbstständig und unabhängig von dem Mann zu entscheiden. Das sei ihnen am Anfang schwergefallen.
Ihr eigenes Verhältnis zu Kaufmann beschrieb Baumann einerseits als „sachlich-gut, nicht ausgesprochen persönlich.“ Andererseits sei sie „fassungslos“ gewesen, dass Kaufmann ihr nicht gesagt habe, dass es Mitte der 2010er Jahre beim Oberlandesgericht Überlegungen gegeben habe, ein Disziplinarverfahren gegen den jetzigen Hauptangeklagten einzuleiten. Sie sei durch Zufall auf entsprechende Unterlagen gestoßen, die im Vorzimmer des Präsidenten unter Verschluss gehalten worden seien. Erst nach einer Intervention des Justizministeriums war dieses Disziplinarverfahren schließlich eröffnet worden.
Kaufmann selbst hat sich zu den Vorwürfen, die gegen den Ex-Staatsdiener erhoben worden sind, bislang nicht geäußert. Ursprünglich war er auch als Zeuge vorgesehen, wurde dann aber doch nicht vernommen. Kaufmann wolle offenkundig „nicht mit uns reden“, sagte eine Verteidigerin.
Baumann war 2012 Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts geworden, zunächst unter Kaufmann als Präsident. Nachdem Kaufmann in den Ruhestand gegangen war, übernahm sie die Leitung des Gerichts zunächst kommissarisch, ehe sie 2020 als erste Frau selbst dessen Präsidentin wurde. 2023 ging dann auch sie in den Ruhestand.