Deutschland bleibt in der Dressur auf Gold abonniert. Einen Tag nach dem Team-Gold kürt sich Jessica von Bredow-Werndl wieder zur Doppel-Olympiasiegerin. Jubeln darf auch Isabell Werth.
Strahlend ritt Jessica von Bredow-Werndl aus dem brodelnden Stadion, lobte ihre Dalera und rief: „Hoffentlich reicht es.“ Und es reichte. Die 38-Jährige gewann mit ihrer Stute auch im Einzel Gold und krönte sich im Schlosspark von Versailles zur Dressur-Königin der Olympischen Spiele. Silber sicherte sich Isabell Werth mit Wendy.
Für von Bredow-Werndl war es in Versailles das zweite Gold nach dem Sieg mit der Mannschaft und die Wiederholung des Doppel-Sieges von Tokio. Bis zum Schluss musste sie dafür zittern, denn letzte Reiterin war Cathrine Laudrup-Dufour mit Freestyle – doch die Dänin patzte und musste sich mit Platz fünf begnügen.
Von Bredow-Werndl ließ ihre Dalera in der Kür wieder einmal tanzen. Zu einem Medley von französischer Chanson-Musik reihte die 38-Jährige mit der Stute Elemente mit höchsten Schwierigkeitsgraden aneinander. Nach ihrem herausragenden Auftritt wischte sie sich eine Träne aus den Augen.
Aber auch Werth zeigte noch einmal eine Gala in der Kür. Zu einem Potpourri rund um den Schmuse-Song „Mandy“ von Barry Manilow, der wegen ihrer Stute auf „Wendy“ umgedichtet wurde, begeisterte die 55-Jährige aus Rheinberg die rund 15.000 Zuschauer im Stahlrohr-Stadion von Versailles. Nach dem Ritt zeigte sie ihre Faust und strahlte.
Keine Zeit zum Feiern
Am Vortag hatten Werth und von Bredow-Werndl gemeinsam mit Frederic Wandres bereits eine goldene Medaille in der Mannschaft gewonnen. Viel Zeit zum Feiern blieb dabei nicht, da noch am Abend die Vorbereitung auf die Kür begann, bei der die beiden deutschen Reiterinnen zu Konkurrentinnen wurden – und beide jeweils noch eine Medaille gewannen.
Werth hatte mit dem hauchdünnen Sieg mit dem Team bereits etwas Einmaliges geschafft. Sie stieg zu Deutschlands Rekord-Medaillengewinnerin auf. In Werths Olympia-Bilanz stehen nun acht goldene und sechs silberne Olympia-Medaillen. Die Kanutin Birgit Fischer ist die deutsche Nummer zwei, sie hatte in ihrer Karriere acht olympische Goldmedaillen und vier Silbermedaillen geholt. „Also das ist schon sehr, sehr besonders“, sagte sie zu ihrer Olympia-Bilanz. „Das macht mich natürlich stolz.“ Sie kündigte an: „Ich werde mit Birgit bald einen trinken gehen. Wir haben beide echt was hingekriegt.“
„Blut und Wasser geschwitzt“
Der Weg zum Rekord-Sieg, dem 15. deutschen Team-Gold bei Olympischen Spielen, war ein ganz besonderer. Denn er war so knapp wie noch nie – und Werth hatte ihn bereits abgeschrieben, weil von Bredow-Werndl in dem Grand Prix Special ungewohnte Schwächen zeigte. „Wir haben uns verrechnet, sind zum Stall und haben gedacht, das reicht nicht“, berichtete Werth: „Ich habe gedacht, das war knapp vorbei.“
Als der Jubel im Stadion ausbrach, „mussten wir wieder zurück“, sagte Werth und fügte grinsend an: „Da sage noch einer, Dressursport ist langweilig.“ Die erfahrene Reiterin gab zu: „Dass das noch so ein Krimi werden würde, haben wir nicht so richtig erwartet. Wir haben Blut und Wasser geschwitzt.“
„Geht nicht, gibt es nicht“
Werths einzigartige Karriere hatte bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona begonnen, wo sie mit Gigolo Team-Gold gewann. Vier Jahre später feierte sie Doppel-Gold mit demselben Pferd. Weitere Goldmedaillen holte sie mit den Pferden Satchmo, Weihegold und Bella Rose. Zu Werths außergewöhnlicher Erfolgsbilanz gehören außerdem neun WM-Titel. „Dieses Durchhaltevermögen über all die Jahre, das ist der Wahnsinn“, schwärmte ihr Teamkollege Frederic Wandres: „Geht nicht, gibt es nicht.“
Auch Wandres reiste mit Gold nach Hause in Hagen im Osnabrücker Land. Doch im Einzel blieb der 37-Jährige mit Bluetooth ohne Chance aufs Podium. Die Bundestrainerin habe ihm vor dem Einreiten gesagt: „Denk daran, du bist Olympiasieger seit gestern.“ Er habe die Kür daher genossen.