Islamisten, Cyberangriffe, Hooligans: Vor dem Eröffnungsspiel der Heim-EM ist die Sicherheitslage laut den Behörden „angespannt“. So bereitet sich die Polizei auf das Turnier vor.
Die Fußball-Europameisterschaft findet in einer Zeit statt, in der die Bedrohung durch islamistischen Terror in Deutschland wächst. Ein Grund dafür sind internationale Konflikte und wie sich die Bundesregierung dabei positioniert. „Deutschland steht stärker als andere europäische Länder im Fokus von Dschihadisten, weil unser Land neben den USA als einer der wichtigsten Unterstützer Israels gilt“, sagte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang kürzlich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Können die Fans angesichts dieser Bedrohungslage übehaupt bedenkenlos mitfiebern?
„Wir sollten uns den Spaßfaktor bei dieser Europameisterschaft auf gar keinen Fall durch Terrorszenarien nehmen lassen“, meint Dirk Peglow, Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Genau das sei das Ziel terroristischer Gruppierungen: „Angst zu schüren und unser gesellschaftliches Leben zu beeinflussen.“ Unabhägig von dem Sportereignis bewege sich die terroristische Bedrohungslage schon länger auf einem hohen Niveau. „Wir begegnen der Situation, indem wir die Erkenntnisse der inländischen, aber auch ausländischen Nachrichtendienste zusammenfassen und die Sicherheitsbehörden mit einbinden.“
Während der EM greife die Polizei auf bekannte Einsatzabläufe bei Fußballspielen zurück – nur in einem deutlich größerem Maßstab. „Man hat verstärkt auf die Anfahrtswege geschaut, wo Rettungswege sind, wie Einsatzkräfte Zugang in die Stadien erhalten“, so Peglow. Dass Fans und Mannschaften aus verschiedenen Ländern nach Deutschland kommen, fordert die Behörden verglichen mit Bundesligaspielen stärker heraus. „Für die ukrainische Nationalmannschaft muss der Mannschafsschutz zum Beispiel intensiviert werden“, sagt der BDK-Chef.
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Sicherheitszentrum für die EM eingerichtet
In der Bundespressekonferenz zur Sicherheitslage bei der EM nannte Innen- und Sportministerin Nancy Faeser die Situation „angespannt“. Besonders groß sei die Bedrohung durch den Islamischen Staat Provinz Khorasan (ISPK). Während der EM kontrollieren die Behörden verstärkt die deutschen Grenzen und an Flughäfen sowie im Bahnverkehr werden mehr Polizisten als sonst zu sehen sein. Für die Beamten gelten deshalb Urlaubssperren. Zusätzlich werden 350 ausländische Polizeikräfte in Deutschland eingesetzt.
„Es wird für die Sicherheitsbehörden eben kein fröhliches, sondern ein anstrengendes Fest werden. Das ist eine wahnsinnige Herausforderung“, sagt Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen. In seinem Bundesland wurde das International Police Cooperation Center (IPCC) eigens für die EM eingerichtet. Aus Neuss steuern die Beamten die nationale und internationale Polizeiarbeit für das Turnier.
BDK-Chef Dirk Peglow hält das neue IPCC für eine wichtige Maßnahme: „So können Informationen aus dem In- und Ausland der verschiedensten Behörden zusammenlaufen und unter der Leitung des Bundesinneministerium koordiniert werden.“ Generell habe die Sicherheit bei dieser EM oberste Priorität, lässt das BMI in einer Pressemitteilung verlauten. „Unser Fokus reicht von der Bedrohung durch islamistischen Terror, über Hooligans und andere Gewalttäter bis hin zu Cyberangriffen und anderen Gefahren“, betont Nancy Faeser.
Public Viewing immer unbeliebter
Trotz der Sicherheitsvorkehrungen blicken manche Menschen immer noch skeptisch auf die EM. Laut einer repräsentativen Studie der Universität Hohenheim wollen 20 Prozent der Befragten wegen Terrorangst und 34 Prozent wegen der Menschenmassen Public Viewing-Veranstaltungen meiden. Seit der WM 2006, die als Geburtsstunde des Rudelguckens in Deutschland gilt, hat sich einiges verändert: „Wir haben jetzt eine ganz andere Ausgangssituation, was die weltpolitische Lage, aber natürlich auch die nationale politische Lage angeht“, sagt Dirk Peglow.
Dirk Peglow ist Bundesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter e.V. (BDK)
© Jörg Carstensen
Auch wenn der BDK-Chef die Ängste der Menschen ernst nimmt, sieht Peglow keinen Grund zur Sorge. Denn die Polizei sei gut aufgestellt für die EM: „Die Sicherheitsbehörden sind unabhängig von der EM über die Terrorgefahr informiert.“ Trotzdem können Fans mit ihrem eigenen Verhalten zur Sicherheit im öffentlichen Raum und in den Stadien und beitragen – indem sie aufmerksam sind. „Wenn Auffälligkeiten registriert werden, dann ist es sehr wichtig, dass diese auch an die Sicherheitsbehörden schnellstmöglich weitergemeldet werden“, so Dirk Peglow. „Aber ich rate eher dazu, die Spiele zu genießen, wenn man sie besuchen möchte.“
Ob eine ähnliche Euphorie wie beim letzten Heimturnier entsteht, hängt neben dem Abschneiden der deutschen Mannschaft wohl auch vom Erfolg der Sicherheitsmaßnahmen ab. „Am Ende des Tages muss man so ehrlich sein und sagen, dass es eine hundertprozentige Sicherheit natürlich nicht gibt“, gesteht Dirk Peglow.
Quellen: Bundesministerium des Innern, Universität Hohenheim, Phoenix, DPA, AFP