In einer US-Talkshow gibt Kevin Spacey zu, Grenzen überschritten und Männer auf „sexuelle Art“ berührt zu haben. Jetzt möchte er ein besserer Mensch werden.
Es war Ende Oktober 2017, als Kevin Spaceys Welt zusammenbrach. Nur ein paar Stunden, nachdem er bei einem Award in Los Angeles einen Preis verliehen hatte, flatterte eine E-Mail in sein Postfach. Darin die Nachricht, dass Schauspieler Anthony Rapp ihm vorwirft, ihn dreißig Jahre zuvor sexuell belästigt zu haben. Rapp war da gerade einmal 14 Jahre alt.
Spacey hat das nicht kommen sehen. Die Karriere des House-of-Cards-Stars lief gerade fantastisch. Kurz zuvor erst sei der Film „All the Money in the World“ fertig geworden, Ridley Scott hatte ihm gerade die finale Version gezeigt. Spacey sei sehr stolz auf den Film gewesen und traurig darüber, dass Scott ihn später aus allen Szenen herausgeschnitten hat.
Während er dies erzählt, sitzt der Schauspieler dem berüchtigten Talkmaster Piers Morgan gegenüber, trägt Anzug und Krawatte. Es ist der 11. Juni 2024 – und laut Spacey das erste Mal seit 2017, dass er sich wieder in einem Fernsehstudio befindet. 90 Minuten dauert das schonungslose Gespräch, in dem auch Tränen fließen.
Nach den Anschuldigungen von Anthony Rapp outete sich Spacey als schwul. Er arbeitete in den nächsten sieben Jahren kaum, machte Therapien und wurde erneut mit Vorwürfen konfrontiert. Zahlreiche weitere Männer beschuldigten ihn, sexuelle Übergriffe an ihnen verübt zu haben, doch in allen straf- und zivilrechtlichen Verfahren wurde Spacey freigesprochen. Elton John und dessen Ehemann David Furnish hatten zu seinen Gunsten ausgesagt, standen die ganze Zeit über an seiner Seite – es ist der Moment im Interview, in dem ihm zum ersten Mal die Tränen kommen. Andere Personen hingegen hätten sich von ihm abgewendet. Schauspiel-Kollegin Robin Wright etwa, mit der er viele Jahre in „House of Cards“ spielte, habe sich seit 2017 nicht mehr bei ihm gemeldet.
In den letzten Jahren habe der Schauspieler dunkle Phasen durchlebt, aber auch Zusammenhalt in der Familie erfahren und Rückhalt von Freunden bekommen. Er sei nun ein besserer Mensch, sagt er: „Mein Ziel ist nicht mehr, nur ein guter Schauspieler zu sein. Ich will jeden Tag aufs Neue beweisen, dass ich einen guten Charakter habe.“
Neue Doku, noch mehr Vorwürfe gegen Spacey
Ausführlich sprechen die beiden auch über die neue Dokumentation „Spacey Unmasked“, in der zehn Männer, darunter ein Boxer und ein ehemaliger Marinesoldat, weitere Vorwürfe wegen sexuell unangemessenen Verhaltens gegen den Star erheben. Es wird ein Video eingespielt, in dem ein junger Schauspieler behauptet, Spacey habe während einer Szene versuchte, seinen Penis anzufassen. Die Macher der Doku hätten die Protagonisten bezahlt, Lügen zu erzählen, sagt Spacey. Er könne beweisen, dass der junge Mann aus dem Video ihm ungefragt Nacktfotos geschickt hatte, die Fotos werden in der Show eingeblendet. Auch sein Bruder Randy kommt in der Doku zu Wort, erzählt schreckliche Details aus der Kindheit der beiden. Spacey distanziert sich klar von seinem Bruder, er habe ihn in 50 Jahren nur vier Mal gesehen.
Spacey gesteht sexuelle Übergriffe
Piers Morgan geht höflich mit dem zweifachen Oscar-Preisträger um, das Verhältnis der beiden Männer scheint fast freundschaftlich zu sein. Morgan konfrontiert sein Gegenüber aber auch direkt mit Situationen, in denen Spacey seine Machtposition als Film- und Theaterregisseur ausgenutzt haben soll, um junge Schauspieler zu verführen. Nach Premieren habe man zusammen getrunken, Spacey soll gern geflirtet haben. Männer werfen ihm vor, dass er versucht habe, sie zu küssen, sie anzufassen.
„Wenn Sie zurückblicken, inwiefern haben Sie sich falsch verhalten?“ fragt der Talkmaster.
„Ich habe Grenzen überschritten“, gibt Spacey zu. „Ich war übergriffig, habe jemanden auf sexuelle Weise berührt und zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass die Person das nicht wollte“.
„Manche würden das als kriminell bezeichnen“, gibt Morgan zu bedenken. Spacey antwortet, er habe einfach nur versucht, sich Leuten „liebevoll“ zu nähern. Er werde sich niemals in seinem Leben wieder so verhalten. Er möchte sich gern wieder verlieben, eine Beziehung führen.
Spaceys Karriere liegt auf Eis. Finanziell stehe er vor dem Ruin, die Menge an Schulden, die Kosten für Anwälte, das alles sei beträchtlich, erzählt er. Er muss sein Haus aufgeben, weil er die Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Wo er demnächst wohnen werde, sei noch unklar. „Ich will es wiedergutmachen“, sagt Spacey. Er will zurückkehren, zu dem, was er liebt: wieder als Schauspieler arbeiten.
