Erinnerung an Nazizeit: Gedenken an Herbertstraßen-Prostituierte in NS-Zeit

Die Herbertstraße auf St. Pauli ist berühmt. Wenig bekannt ist die menschenverachtende Geschichte der eisernen Tore, die seit über 90 Jahren vor der Hamburger Bordellgasse stehen.

Ein Gedenkbordstein vor der Herbertstraße auf St. Pauli erinnert erstmals an das Schicksal der in der berühmten Hamburger Bordellgasse arbeitenden Frauen während der Nazizeit. Viele tausend Touristen nutzten die eisernen Tore, die den Blick auf die Gasse versperren, als Motiv für Selfies, sagte Initiator und St. Pauli-Kirchen-Pastor Sieghard Wilm bei der Enthüllung des Messing-Kantsteins an der Ecke Herbert- und Davidstraße. Aber kaum jemand wisse, dass sie 1933 auf Befehl der NS-Gauleitung errichtet wurden. 

„Es entspricht der zynischen und menschenverachtenden Politik des Nationalsozialismus, die Prostitution nicht verboten zu haben, sondern sie kaserniert zu haben“, sagte er. Bei der Feier zum 100. Geburtstag der Herbertstraße vor zwei Jahren sei ihm die Idee gekommen: „Es kann doch nicht sein, dass wir so viele Jahre nach Kriegsende keine Informationstafel oder irgendetwas haben, das darauf hinweist, dass diese Sichtblenden und diese Idee der kasernierten Prostitution von den Nationalsozialisten geschaffen wurden“, sagte Wilm.

Millionen von Touristen seien bislang nicht informiert worden. Realisiert wurde der Gedenkkantstein mit der Inschrift „Entrechtet – Ausgegrenzt – Ermordet“ jetzt mithilfe des Vereins Lebendiges Kulturerbe St. Pauli und mit Unterstützung des Bezirks Hamburg-Mitte.

Prostituierte wurden von Nazis zwangssterilisiert und in KZs inhaftiert 

„Was noch weniger bekannt ist, sind die Schicksale, die die Frauen, die Sexarbeiterinnen aus der Herbertstraße, zur NS-Zeit erlitten haben“, sagte Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD). „Viele kamen ins KZ nach Neuengamme, nach Ravensbrück, wurden zwangssterilisiert, sind gestorben, sind gebrochen aus dem Krieg gekommen.“ Hier müsse weiter aufgeklärt werden.

Der Stein solle Anstoß bieten – auch für die historische Aufarbeitung, sagte Kulturleben-Vereinsvorstand Julia Staron. „Dieser Stein des Anstoßes bezeichnet nämlich nicht das Ende der Forschung und der Aufklärung, sondern den Anfang. Wir wollen, dass diese Debatte lebendig bleibt.“ 

Internetseite informiert über das Schicksal der Sexarbeiterinnen

Ein QR-Code auf der Gedenktafel führt zu einer Internetseite mit Informationen zur Geschichte der Herbertstraße. Hier sollen auch alle neuen Erkenntnisse über die Schicksale der Frauen veröffentlicht werden. Finanziert werden soll die weitere Aufarbeitung durch eine Crowdfunding-Aktion.

Die Historikerin Eva Decker, die zur Geschichte St. Paulis forscht, verwies darauf, dass die Stigmatisierung und Ausgrenzung der Prostituierten nicht erst mit der Nazi-Herrschaft begonnen habe, „und auch mit Kriegsende noch lange keine Stopp-Taste hatte“.