Vor gut einem Jahr ist der ranghöchste Polizist des Landes vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen worden. Nun gibt es Bewegung im noch laufenden Disziplinarverfahren gegen den Mann.
Mehr als ein Jahr nach dem Freispruch für den ranghöchsten Polizeibeamten des Landes vom Vorwurf der sexuellen Nötigung hat das Innenministerium weitere Disziplinarmaßnahmen gegen den Mann verhängt. Der Amtschef habe den Inspekteur vorläufig des Dienstes enthoben und eine Kürzung der Bezüge des Mannes ausgesprochen, teilte das Innenministerium in Stuttgart mit.
Der Polizeibeamte war am 14. Juli vergangenen Jahres vom Landgericht Stuttgart freigesprochen worden. Ihm war zur Last gelegt worden, eine Kommissarin sexuell bedrängt zu haben. Seit Anfang April ist der Freispruch auch rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof hatte die Revision von Staatsanwaltschaft und Nebenklage verworfen und entschieden, dass das Verfahren in Stuttgart nicht zu beanstanden sei. Der Fall beschäftigt auch einen Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags.
Verteidigerin: Politische Entscheidung ohne rechtliche Grundlage
Die Verteidigerin des Beamten, Ricarda Lang, kritisierte die Maßnahmen des Innenministeriums scharf: „Das ist eine rein politische Entscheidung und entbehrt jeglicher rechtlichen Grundlage.“ Man habe gegen beide Maßnahmen Klage eingereicht, so Lang. Bislang war der ranghöchste Polizeibeamte des Landes nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn vom Dienst freigestellt gewesen und hatte weiterhin seine Bezüge erhalten.
Die Maßnahmen seien zunächst vorläufig und knüpften an den derzeitigen Ermittlungsstand im Disziplinarverfahren gegen den Beamten an, teilte das Ministerium mit. Weitere Details wollte ein Sprecher nicht nennen.
Laut Disziplinargesetz kann ein Beamter vorläufig des Dienstes enthoben werden, wenn er voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird oder andernfalls der Dienstbetrieb oder Ermittlungen beeinträchtigt würden. Die Dienstbezüge können in diesem Fall laut Gesetz um bis zu 50 Prozent gekürzt werden.
Opposition sieht sich bestätigt
Die Opposition sieht sich durch die neuen Maßnahmen bestätigt. Man habe schon immer eine Suspendierung unter Reduzierung der Bezüge gefordert, sagte der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Sascha Binder. „Minister Strobl und seine Landespolizeipräsidentin haben vor fast drei Jahren die falschen Entscheidungen zum Vorteil des Inspekteurs getroffen“, kritisierte Binder.
Die Maßnahmen kämen viel zu spät, seien aber dennoch völlig richtig, sagte der AfD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Hans-Jürgen Goßner. „Es ist vor dem Volk nicht vertretbar, dass ein Mann mit solch einer Affäre und solch einem Lebenswandel fürstlich mit Steuergeldern entlohnt wird“, sagte Goßner.
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Julia Goll, ebenfalls Obfrau im Untersuchungsausschuss, begrüßte die Maßnahmen. „Die vorläufige Kürzung der Bezüge des Inspekteurs ist ein wichtiges Signal in die Reihen der Landespolizei hinein, aber auch an die Öffentlichkeit. Dieses Zeichen hat es dringend gebraucht, es ist lange überfällig.“
Weitere Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft
Abgeschlossen ist das Disziplinarverfahren gegen den Beamten laut Innenministerium mit den vorläufigen Maßnahmen noch nicht. Ein Sprecher verwies auf ein noch laufendes Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart.
Sie ermittelt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Die Ermittlungen dauerten an, bestätigte ein Sprecher der Behörde. Früheren Angaben zufolge geht es um den Vorwurf, dass der Mann der Polizistin in einem mitgeschnittenen Telefonat in Aussicht gestellt haben soll, dass es sich nicht nachteilig auf ihre Karriere auswirken werde, wenn sie eine Beziehung mit ihm einginge. Für den Abschluss der Ermittlungen gebe es noch keinen Zeithorizont, so der Sprecher weiter.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte kurz nach dem Freispruch angekündigt, das Amt des Polizeiinspekteurs abzuschaffen und die Aufgabe auf ein neues Führungsteam verteilen zu wollen. Eine Rückkehr des Mannes in sein Amt hatte Strobl kurz nach dem Freispruch bereits ausgeschlossen.