Die AfD könnte in Thüringen stärkste Kraft werden. Die Grünen-Politikerin Madeleine Henfling warnt, dass die Partei von Björn Höcke versuchen könnte, eine Regierungsbildung zu torpedieren.
Die Thüringer Grünen-Spitzenkandidatin Madeleine Henfling rechnet damit, dass die AfD versuchen wird, eine Regierungsbildung nach der Landtagswahl zu stören. „Die AfD wird im Ernstfall das Chaos nach der Wahl nutzen, um den Rest zu übertölpeln, um in Findungsprozesse reinzugrätschen und dort mit einer MP-Wahl reingehen“, sagte Henfling der Deutschen Presse-Agentur. Demnach könnte die AfD ein Interesse daran haben, möglichst schnell eine Ministerpräsidentenwahl zu beantragen. Nach dem 1. September sei deshalb „Eile geboten, dass sich die Demokratinnen und Demokraten an einen Tisch setzen und einen klaren Plan für die vier Wochen bis zur konstituierenden Sitzung des Landtages haben“, sagte sie.
30 Tage Zeit
Nach der Thüringer Landesverfassung bleiben nach der Wahl maximal 30 Tage Zeit, bis sich der neue Landtag bildet. Henfling sagte, allen müssen klar sein, dass dies eine besonders kritische Zeit sei.
Erst wenn der neue Landtag gebildet ist, kann auch eine Ministerpräsidentenwahl stattfinden. Bei dieser Wahl gibt es im dritten Wahlgang keine Hürde einer absoluten Mehrheit mehr – gewählt ist dann, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann. Es gibt Befürchtungen, dass Thüringens AfD-Chef Björn Höcke kandidieren könnte, wenn die AfD bei der Landtagswahl stärkste Kraft wird. In Umfragen ist die in Thüringen als rechtsextremistisch eingestufte AfD seit Monaten auf Platz eins.
Auch SPD-Spitzenkandidat Georg Maier zeigte sich mit Blick auf eine möglicherweise schwierige Regierungsbildung besorgt. „Selbstverständlich wird die AfD alles versuchen, mit einer vorgezogenen Beantragung der MP-Wahl oder ähnlichem versuchen, Unruhe zu stiften, Koalitionsverhandlungen zu stören. Das ist deren Geschäft. So wollen sie die Demokratie von innen heraus angreifen“, sagte Maier, der in Thüringen auch Innenminister ist.
Voigt nennt Bedingung für Kandidatur
CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt, der als Regierungschef in die Erfurter Staatskanzlei ziehen will, machte in einem Interview mit der „taz“ klar, dass er nicht um jeden Preis bei einer Ministerpräsidentenwahl kandidieren werde. „Ich stelle mich nur zur Wahl, wenn ich ausschließen kann, dass Thüringen und seine demokratischen Institutionen beschädigt werden“, sagte der 47-Jährige der Zeitung. In dem Interview schloss Voigt erneut eine Koalition mit der AfD aus und bezeichnete Höcke als „Chancentod“ und als „eine Gefahr für dieses Land“.
Auf die Frage, ob bei einer Ministerpräsidentenwahl erneut so etwas passieren könne wie am 5. Februar 2020, als sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD um Höcke zum Regierungschef wählen ließ, sagte Voigt: „Nein, wir haben gelernt“.
In jüngsten Umfragen zur Thüringer Landtagswahl kommt die AfD auf Werte zwischen 28 und 30 Prozent. Voigts CDU verharrt dagegen bei Werten zwischen 21 und 23 Prozent. Zudem sitzt ihm die Wagenknecht-Partei BSW mit Werten von 19 bis 21 Prozent im Nacken. Damit könnte es ein Rennen um Platz zwei und den Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt geben. Mit der AfD will keine andere Partei mit Chancen auf einen Einzug in den Landtag koalieren.
Henfling zeigte sich auch mit Blick auf Forderungen der Wagenknecht-Partei BSW nach einem neuen Umgang mit der AfD besorgt. „Ist es die Taktik, sich alle Optionen offenzulassen? Das macht mir besonders große Sorgen“, sagte sie. Es gebe Anhaltspunkte, dass es auf eine Zusammenarbeit zwischen BSW und AfD hinauslaufen könnte, zumal sie in den Programmen der beiden Parteien inhaltliche Überschneidungen in bestimmten Politikfeldern sehe. Zudem gebe es die Gefahr, dass sich BSW-Leute aufgrund ihrer Unerfahrenheit im politischen Geschäft „übertölpeln lassen“, wie sie sagte.
Zustimmung für AfD-Gesetze möglich
BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf hatte am Donnerstag in einer TV-Runde aufhorchen lassen, als sie nicht ausschließen wollte, dass ihre Partei auch AfD-Gesetzentwürfen zustimmen könnte, wenn sie diese für richtig hält. Parteigründerin Sahra Wagenknecht sagte anschließend, der bisherige Umgang, „reflexartig alles abzulehnen, was von der AfD kommt und sich dafür als große Demokraten zu feiern“, habe die AfD nicht ausgebremst. „Wenn die AfD sagt, der Himmel ist blau, wird das BSW nicht behaupten, er sei grün. Daraus Koalitionsabsichten abzuleiten, ist kindisch.“ Zugleich machten BSW-Vertreter in Bund und Ländern mehrfach deutlich, dass sie keine Koalition mit der AfD eingehen würden.
SPD-Spitzenkandidat Georg Maier sagte, das BSW inszeniere sich einerseits als Alternative zur AfD, diene sich dann aber offensichtlich als Mehrheitsbeschaffer an. „Also für mich bleibt BSW inhaltlich und personell echt ein großes Fragezeichen“, sagte er. Vieles sei widersprüchlich. Er bekräftigte, dass die SPD in keine Regierung gehen werde, die auf wechselnde Mehrheiten unter Einbeziehung der AfD setze.