Diese Koalition ist nicht mehr zu retten, dafür aber die Kanzlerschaft von Olaf Scholz. Der neue Ampel-Ausfall könnte seiner Erzählung zum Comeback verhelfen.
Jetzt ist die Ampel nur noch eine „Übergangsregierung„, eine Koalition mit dem jämmerlichen Ziel, für eine andere Platz zu machen. Anders lässt sich die resignierte Aussage von Omid Nouripour kaum deuten, der als Co-Chef der Grünen immerhin ein führendes Mitglied dieser Zweckgemeinschaft ist. Mit der Autorität seines Amtes hat Nouripour nun den einstigen Ampel-Anspruch, eine „Fortschrittskoalition“ zu sein, endgültig den Flammen überlassen.
Und Olaf Scholz einen kleinen Gefallen getan.
Der pausenlose Streit, das ewige Gewürge und Gezerre, das nur wachsweiche Kompromisse fabrizierte: Die Ampel ist durch ihren von Rauflust und Missgunst geprägten Regierungsstil längst zum Quell großer Politikverdrossenheit geworden. Die FDP hat sich schon früh auf die Rolle der internen Opposition verlegt, in der seltsamen Hoffnung, von der wachsenden Unzufriedenheit zu profitieren. Kurz vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland, bei denen alle drei Ampel-Parteien schlimme Schlappen befürchten müssen, gesellt sich nun auch die Grünen-Führung dazu. Devise: Was haben wir damit zu tun?
Und Scholz? Kann es sich jetzt erst recht in der Rolle reüssieren, die ihm zuletzt kaum einer mehr abkaufen wollte: In der des vernünftigen und verantwortungsvollen Regierungschefs, der das alles nur irritierend findet. Ganz nach dem Motto: Die anderen moppern, reden alles schlecht – meine SPD und ich machen dann mal mit der Arbeit weiter.
Olaf Scholz als sicherste Bank
Die Ampel mag zwar eine „Übergangsregierung“ sein, aus der sämtliche Ambition gewichen ist, doch sie wird bis zum Ende der Legislaturperiode bestehen. Niemand kann angesichts der aktuellen Umfragewerte das Interesse an einem vorzeitigen Bruch haben, auch nicht Grüne und FDP, die sich aus reinem Selbsterhalt von der unbeliebten Ampel abwenden und deren Selbstverzwergung rhetorisch vorantreiben.
Natürlich wird auch Scholz keine gewinnbringende Erzählung mehr für die Ampel finden, diese Konstellation ist praktisch nicht mehr zu retten. Zumal Scholz als Mittler und Moderator dieser Koalition schon einmal durchgefallen ist, nicht zuletzt in seiner eigenen Partei, die von ihm mehr Führung einforderte.
Kanzler Scholz empfiehlt seiner Koalition „gutes Benehmen“ 8.53
Doch nun kann Scholz diesen Führungsnachweis erbringen – ironischerweise, indem er vermittelt und moderiert oder eben auf den Tisch haut. In beiden Fällen stünde er als derjenige dar, der als einziger die Regierungsverantwortung als solche versteht. Der nicht durchdreht, während es alle anderen tun. Und sich mit Tatendrang statt Resignation profiliert. So geht seit Anbeginn der Ampel-Zeitrechnung die Erzählung der SPD und ihres Kanzlers, der durch den neuesten Ampel-Tiefpunkt wieder neues Leben eingehaucht wird.
Also: Einfach abwarten und mal schauen, wie sich die Sache noch entwickelt? Wird nicht reichen. Jedoch lässt sich für die Kanzlerpartei auf dem krassen Kontrast zu den resignierten Koalitionspartnern eine Strategie für die Bundestagswahl 2025 aufbauen. Scholz als sicherste Bank: Das hat schon im Wahlkampf 2021 funktioniert, zumal es sich aus dem Amt heraus leichter Wahlkampf machen lässt. Insbesondere dann, wenn der Gegner voraussichtlich Friedrich Merz heißt. Da werden viele, die jetzt mit Scholz unzufrieden sind, in der Wahlkabine nochmal ins Grübeln geraten.