Vor kurzem noch kaum bekannt, hat Tim Walz es schon jetzt zu einem der Lieblinge des Parteitags der US-Demokraten geschafft: Der als „fröhlicher Kämpfer“ beschriebene Gouverneur von Minnesota scheint bei dem Parteitag in Chicago allgegenwärtig; „Tim! Tim! Tim!“-Sprechchöre und Bitten um Selfies zeugen vom Erfolg seiner Charme-Offensive. Am Mittwoch wird Walz offiziell seine Nominierung als Kandidat für das Vizepräsidentenamt der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris annehmen.
Der 60-jährige frühere Nationalgardist aus dem Mittleren Westen, der sich nun der Partei und dem Land vorstellen will, hat sich bereits einen Namen als einer der wirksamsten Kommunikatoren der Demokraten gemacht: Nur Tage vor Harris‘ Start in das Rennen um die Präsidentschaft kritisierte Walz den republikanischen Rivalen Donald Trump und dessen Vize-Kandidaten J.D. Vance als „weird“. Das „seltsam“ oder „merkwürdig“ lautende Attribut wurde zum Schlagwort.
Bei einer Kundgebung mit Harris in derselben Halle, in der im Juli Trump und seine Republikaner ihren Parteitag abhielten, sagte Walz am Dienstag: „Wir haben nicht nur eine enorme Energie bei unserem Kongress, wir haben auch viel mehr Energie dort, wo sie ihren Kongress hatten – genau hier.“
Walz bringt die Perspektive des ländlichen Mittleren Westens mit in das Rennen um die Präsidentschaft, gilt aber als Teil des liberalen Flügels der Demokraten. Viele US-Bürger kennen ihn noch nicht – bei seiner Rede in Chicago wird er dem Parteitag und den Zuschauern der Fernsehübertragung wahrscheinlich einen Einblick in seine persönliche Geschichte geben.
Walz dürfte von seinem Aufwachsen in einer Kleinstadt im Bundesstaat Nebraska sprechen, wo er auf dem Bauernhof seiner Familie arbeite, und über seinen Militärdienst, seine Erfahrungen als Lehrer und seine politische Laufbahn reden.
Mit Harris ist Walz bereits bei Kundgebungen in mehreren Staaten aufgetreten, die bei der Wahl im November besonders umkämpft sein werden. Dort gaben sie einen ersten Einblick, wie das Duo auf die Wähler wirken könnte: Ein weißer Ex-Abgeordneter aus dem Herzen des Mittleren Westens und eine schwarze und südasiatische frühere Senatorin aus Kalifornien.
Die lebhaften Veranstaltungen boten eine eindrucksvolle Erinnerung daran, wie anders der Wahlkampf noch vor einem Monat aussah: Damals gab der 81-jährige Präsident Joe Biden den Bedenken um sein Alter und seinen geistigen Zustand statt, zog sich von der Kandidatur zurück und empfahl stattdessen Harris.
Die Republikaner sind von dem Umschwung noch immer erschüttert: Sie bemühen sich, Walz als „gefährlich liberalen Extremisten“ darzustellen, der ungenaue und widersprüchliche Angaben über sich selbst gemacht hat. Allerdings verfingen die Angriffe nicht und das Duo aus Harris und Walz stellte Wahlkampf-Spendenrekorde auf. Die Kandidatin der Demokraten liegt in landesweiten Umfragen inzwischen vor Trump.
Walz‘ Nominierung als Vize-Kandidat zeige, „dass es mehr als akzeptabel ist, und sogar gelobt wird, eine Art von Männlichkeit zu verkörpern, die freundlich und mitfühlend ist“, sagt die Hochschuldozentin Sabrina Karim von der Elite-Hochschule Cornell University. „Seine Form der Maskulinität steht im Kontrast zu Donald Trump, und bietet einigen Wählern, insbesondere weißen männlichen Wählern, eine alternative Art, männlich zu sein, die ansprechend sein könnte.“
Neben Walz ergreifen auf dem Parteitag am Mittwoch zahlreiche Prominente und hochrangige Parteipersönlichkeiten das Wort, unter ihnen Ex-Präsident Bill Clinton.