Der Staat rettet die angeschlagene Meyer Werft mit einem Milliardenpaket. Schifffahrtsexperte Max Johns im Interview über die Ursachen der Krise und die Zukunft des Schiffbaus.
Capital: Herr Johns, seit Monaten kämpft die Meyer Werft ums Überleben. Nun retten sie der Bund und das Land Niedersachsen mit 400 Mio. Euro Eigenkapital und Bürgschaften. Der Staat übernimmt 80 Prozent der Unternehmensanteile. Ist das sinnvoll?
MAX JOHNS: Wenn es darum geht, die Arbeitsplätze zu retten und die Steuergelder nicht verloren sind, ist der Einstieg des Staates sinnvoll. Es sind drei Jahre angesetzt, um einen anderen Investor zu finden. Es soll sich also nur um eine Überbrückung handeln. Wenn es dann gelingt, einen solchen Investor zu finden, hätte sich die Investition gelohnt. Nicht sinnvoll wäre es, wenn der Staat hier langfristig zum Unternehmer wird oder Geld verliert. Schließlich handelt es sich weder um ein systemrelevantes Unternehmen noch um ein „Kronjuwel“, wie der Kanzler sagte. Dazu müsste die Werft nicht nur technologisch gut aufgestellt sein, sondern auch wirtschaftlich, sozial, ökologisch und eine vorbildliche Governance haben. Das ist wohl kaum der Fall.
Max Johns ist Professor für Maritimes Management an der Hamburg School of Business Administration
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Die Familie Meyer soll die Unternehmensanteile später zurückkaufen können. Was halten Sie für ein wahrscheinliches Exit-Szenario?
Der Familie ist es bislang nicht überzeugend gelungen, einen Übergang von der älteren Generation auf die jüngere zu schaffen. Ich kann nicht genau beurteilen, ob das in einem zweiten Versuch erfolgreich sein wird. Zweifel scheinen aber angebracht. Ein externer Investor ist wohl wahrscheinlicher. Private Equity Gesellschaften kommen dafür eher nicht in Frage. Höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass andere Technologie- oder Werftunternehmen sich für die Meyer Werft interessieren, etwa Chantier de l’Atlantique aus Frankreich oder Fincantieri aus Italien. Beide haben auch ein Kreuzfahrtportfolio und könnten sich für das Portfolio und den Standort interessieren.
Droht dem Staat nach Galerie Karstadt Kaufhof nun das nächste Millionengrab? Oder hat die Meyer Werft eine realistische Aussicht auf eine gute wirtschaftliche Zukunft?
Man muss das genau auseinanderhalten: So ein maritimes Unternehmen kann ja in Schwierigkeiten geraten, weil es schlecht arbeitet oder keine guten Produkte macht. In diesem Fall ist einer der wichtigsten Gründe für die Krise aber ein Managementfehler: Die Verträge über die Schiffe enthalten keine Gleitklauseln, etwa für Materialkosten. Damit waren sie ohne ausreichende Absicherung gegen die Inflation aufgesetzt. Repariert wird jetzt das Finanzproblem. Mit dem bestehenden Auftragsbuch kann es eine vielversprechende Zukunft geben. Die maritime Wirtschaft ist aber extrem volatil und externe Einflüsse wie Rezessionen, Kriege oder Pandemien können gerade das Kreuzfahrtgeschäft stark beeinflussen.
Die Meyer Werft kann die Preise also nicht nachverhandeln und muss die Schiffe nun zu Preisen abgeben, die eigentlich zu niedrig sind. Dazu kam eine Corona-Lücke.
Die Reedereien konnten ja praktisch zwei Jahre keine Kreuzfahrten veranstalten und haben daher darum gebeten, dass Schiffe später ausgeliefert werden. So lange saß die Werft mit halb gebauten Schiffen da, die sie zum Teil vorfinanziert hatte und für die sie erst mal kein Geld bekam. Diese lange Phase der Zwischenfinanzierung konnte sie nicht stemmen. Der Schiffbau ist sehr teuer, bei einem einzelnen Schiff reden wir von rund 1 Mrd. Euro, um alle Stufen zu finanzieren. So wie das Auftragsbuch der Werft im Moment aussieht, steht sie aber gut da und ihre Produkte sind sehr gefragt. Insofern ist die Möglichkeit, dass dort kein Millionengrab entsteht, da, weil es zumindest aktuell eine Nachfrage auf Kundenseite gibt. Das unterscheidet sie von Galeria Karstadt Kaufhof. Dort war grundsätzlich das Geschäftsmodell infrage gestellt, weil Menschen weniger in Kaufhäuser gehen. Wenn eine der erwähnten Krisen auftritt, könnte es natürlich wieder zu Problemen kommen. Deswegen ist es wichtig, dass die staatliche Finanzierung schnell wieder zurückgefahren wird.
Kritiker argumentieren allerdings, dass Deutschland kein guter Standort ist, um Schiffe zu bauen: Die Arbeitskosten seien zu hoch, die Renditen zu niedrig, der globale Wettbewerb gilt als hart.
Tatsächlich ist der Bau von Kreuzfahrtschiffen in Deutschland langfristig wohl ein Auslaufmodell, so wie es für weniger komplexe Handelsschiffe in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts der Fall war. Es wird noch so lange gut gehen, wie es keine Billigkonkurrenz gibt. Die wird in China entstehen. Wann es so weit ist, ist allerdings sehr schwer vorherzusagen. Das kann auch noch zehn oder zwanzig Jahre dauern.