Dieselskandal: Strafprozess soll Verantwortung von Ex-VW-Chef Winterkorn klären

Neun Jahre ist es her, dass der Skandal um manipulierte Dieselmotoren aufflog – doch bis heute ist die genaue Verantwortung der VW-Konzernspitze unklar. Seit Dienstag muss sich in Braunschweig der damalige VW-Chef Martin Winterkorn vor Gericht verantworten. Darum geht es: Wann wusste Winterkorn was und wie ging er mit diesem Wissen um? Ob das aufwendige Verfahren alsbald Licht ins Dunkel bringt, ist fraglich – seine Verteidigung wies bereits alle Vorwürfe zurück.

Bis zuletzt war unklar, ob der gesundheitlich angeschlagene 77-Jährige tatsächlich erscheint, mehrfach wurde sein Verfahren bereits verschoben. Verantworten muss sich der ehemalige Konzernchef, der im Zuge des Abgasskandals 2015 zurückgetreten war, wegen Vorwürfen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs, der uneidlichen Falschaussage sowie der Marktmanipulation. Besonders der erste Vorwurf wiegt schwer – Winterkorn drohen bei einem Schuldspruch bis zu zehn Jahre Haft.

Das Gericht bündelte dazu drei unterschiedliche Anklagen, die alle im Zusammenhang mit eingebauter Schummelsoftware in Millionen Dieselmotoren stehen. Die Software ließ den Abgasausstoß im Testbetrieb niedriger erscheinen, im realen Straßenverkehr wurden die Grenzwerte jedoch nicht eingehalten und die Autos hätten gar nicht zugelassen werden dürfen. 

Bei Ankunft am Gericht zeigte sich Winterkorn zurückhaltend und äußerte sich nur knapp, er sprach ruhig und langsam. Es gehe ihm „ganz gut“, sagte der 77-Jährige vor Journalistinnen und Journalisten. Danach befragt, wie er auf sein Lebenswerk blicke, sagte er: „Wenn ich die schönen Autos sehe, ganz gern.“ Vor Gericht äußern werde er sich am Dienstag nicht. „Warten wir’s ab“, sagte er noch, danach befragt, was er vom Prozess erwarte.

Danach folgte bis auf persönliche Angaben Winterkorns zunächst nichts mehr von der Anklagebank. Dafür lauschte Winterkorn aufmerksam dem Verlesen der ersten langen Anklage, auch für die zweite kürzere sei er noch aufnahmefähig, sagte Winterkorn vor der Pause. „Außergewöhnlich umfangreich“ sei das Material, sagte ein Gerichtssprecher im Vorfeld, er erwartet ein langes Verfahren. Bis zum September kommenden Jahres sind rund 90 Verhandlungstermine angesetzt.

Sein Anwalt Felix Dörr erklärte, dass Winterkorn „die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückweist“. „Wir sind fest davon überzeugt, dass alle Vorwürfe gegen ihn widerlegt werden können“, fuhr er in einer Prozesspause fort. „Insofern sehen wir eigentlich dem Verfahren mit Gelassenheit entgegen.“ Sie hätten außerdem die Erwartung, dass es nicht bis kommendes Jahr dauern werde, um das Verfahren zu beenden.

Den Worten des Anwalts zufolge ist geplant, dass Winterkorn am Mittwoch eine Erklärung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen abgibt. Dörr sagte weiter mit Blick auf den gesundheitlichen Zustand des 77-Jährigen, Winterkorn gehe es „recht gut“ und er sowie seine Verteidigung seien zuversichtlich, dass er den Prozess bewältigen könne.

Winterkorn hatte im Verlauf der vergangenen Jahre immer wieder erkennen lassen, die verbotenen Abschalteinrichtungen weder angeordnet noch davon gewusst zu haben. Als VW im September 2015 nach Ermittlungen in den USA den Betrug dann einräumen musst, räumte Winterkorn seinen Posten.

Wie am Dienstag aus der Anklage wegen Betrugs hervorging, steht allerdings der Vorwurf im Raum, Winterkorn habe „spätestens im Mai 2014“ vom Einsatz der verbotenen Software gewusst – und nichts unternommen, um die Fahrzeuge zu stoppen. Auch sei „mit Wissen und Willen des Angeklagten“ Werbung zu den betroffenen Autos verteilt worden, die diese als besonders umweltfreundlich priesen. Das Ganze sei geschehen, um dem Konzern „hohe Gewinne“ zu verschaffen, wovon auch Bonuszahlungen abhingen.

Außerdem geht es um den Vorwurf, in einem Untersuchungsausschuss des Bundestags 2017 falsch ausgesagt zu haben. Nicht zuletzt muss sich Winterkorn wegen mutmaßlicher Marktmanipulation verantworten. Er soll „trotz Kenntnis“ des Einbaus illegaler Abschalteinrichtungen und erwarteter finanzieller Risiken durch Schadenersatzforderungen den Kapitalmarkt „vorsätzlich nicht rechtzeitig informiert haben“. Volkswagen hatte damals erst Tage nach Auffliegen des Skandals eine Pflichtmitteilung an die Anleger veröffentlicht.