Royaler ARD-Dreiteiler: Prinz Harry, der unbequeme Reservist

Die ARD schenkt dem streitbaren Thronfolger zum 40. Geburtstag am 15. September eine Dokumentation. Die bietet nicht viel Neues, das aber unterhaltsam.

„Wer ist Prince Henry Charles Albert David, Duke of Sussex – genannt Harry?“, fragt die ARD in ihrem Pressedossier zu „Harry – Schicksalsjahre eines Prinzen“. Nicht die einzige Frage an dieser Stelle, da will so einiges beantworten werden: Wer ist der Mann, der der berühmtesten Familie der Welt den Rücken kehrt? Wer ist das „schwarze Schaf“ der Windsors? Eine Menge Aufklärungsbedarf, so scheint es, und Autorin und Regisseurin Claire Walding schickt sich an, sie zu beantworten.

Walding ist vom Fach, seit über einem Vierteljahrhundert im Bereich Dokumentationen für internationale Sender wie die BBC, ITV und Arte im Einsatz. Mit Dokus wie „Die Queen – Schicksalsjahre einer Königin“ (2022) und „Charles – Schicksalsjahre eines Königs“ (2023) hat die britische Autorin und Filmemacherin sich bereits umfassend den Royals gewidmet.

Prinz Harry bietet Unmengen an Filmstoff

Es liegt wohl in der Familie. Ebenso wie seine Altvorderen bietet natürlich auch der rothaarige Sprössling Unmengen an Filmstoff, nicht ganz leicht wohl, eine gewisse Ordnung in das königliche Chaos zu bekommen. „Kein Mitglied des britischen Königshauses hat in den letzten 30 Jahren für derart konträre Schlagzeilen gesorgt“, so Claire Walding. „Als ich anfing, mich Harry anzunähern, musste ich einen Weg finden, seine Stimme hörbar zu machen, aber zugleich so objektiv wie möglich zu bleiben.“

Prinz Harry (M.) mit seiner Mutter Diana und seinem Bruder William beim VJ-Tag im Jahre 1985
© SWR/IMAGO/Avalon.red

„A Heir and a spare“, so lautete die Nachwuchsanforderung einst für Prinz Charles. Einen Erben und einen Ersatzmann, einen Reservisten, galt es zu zeugen. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt. Charles heiratet 1981 Diana Spencer, erst kommt William auf die Welt, der „Heir“, danach Harry, der „Spare“, wie er seine 2023 erschienene Biografie nennt. Die Ehe von Charles und Lady Di geht spektakulär in die Brüche, unvergessen der tragische Tod der Prinzessin der Herzen im Jahre 1997.

Der Erstgeborene beugt sich, der Zweitgeborene sträubt sich

Die Wege der beiden Brüder fangen an, sich zu trennen, lange Zeit von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, mit den Jahren dann immer offensichtlicher. William nimmt die Aufgabe des Thronfolgers an, beugt sich den Anforderungen des Hofes, vollzieht den Spagat zwischen tragischer Biografie und königlich historischer Anforderung. Für Harry wird es problematischer. Den Verlust der Mutter verarbeitet er wohl schwerer als der Bruder, und wo der Erstgeborene sich beugt, da sträubt sich der Zweitgeborene. Harry zieht um die Häuser, säuft, nimmt Drogen, schlüpft ins Karnevalskostüm mit Hakenkreuzbinde. Die Yellow Press nimmt sich seiner so an, wie sie es einst auch mit der Mutter tat: Headline um Headline wird in die Welt gepumpt, je skandalöser, um so besser, zur Not ausgedacht und hingebogen.

„Ich habe versucht, die um ihn herum gesponnenen Lügen zu lichten, dem Wahrheitsgehalt seiner eigenen Behauptungen nachzugehen und die Konsequenzen seiner Entscheidungen für die britische Monarchie zu analysieren“, kommentiert Claire Walding.

Harry und die ehemalige Schauspielerin Meghan Markle bei der Bekanntgabe ihrer Verlobung am 27. November 2017. Am 19. Mai 2018 folgte die Hochzeit.
© SWR/Imago/i Images/Mark Jones

Entstanden ist so eine weitere Erzählung aus dem Hause Windsor, unterfüttert mit jeder Menge Interviews, darunter mit Leontine von Schmettow auch eine hiesige Royal-Expertin. Ende 2022 erst hatte eine große Netflix-Doku für Aufsehen gesorgt, sechs epische Episoden lang erzählte „Harry & Meghan“ das Schicksal aus der Sicht des Reservisten. „Viel Kitsch, viel Bekanntes“, hatte stern-Redakteur Jochen Siemens geurteilt, verbunden mit der Frage: Warum wurde das alles überhaupt gedreht? 

PAID Meghan Harry 18.38

Das Neue im Alten sucht man meist vergebens

Fragen, die man nun ebenso stellen muss, ohne sie zufriedenstellend beantworten zu können. Zugegeben, der Kitschfaktor ist um einiges niedriger, auch wenn „Schicksalsjahre eines Prinzen“ schon arg nach dem Taschentuch von Kaiserin Sissi duftet. Die große Erkenntnis jedoch, das Neue im Alten, das „Aha“ im „Warum?“ sucht man bei aller Ambition auch hier meist vergebens. 

Was sich jedoch ebenso wenig abstreiten lässt, ist der Entertainment-Faktor, der dem Thema Royals bei aller Redundanz innewohnt, so auch hier im Fall vom Doku-Präsent zu Harrys 40.: Es ist ein bisschen so, wie mit dem Schlips oder den Socken zum Geburtstag. Klar, man hat schon einige davon im Schrank, richtig einfallsreich ist es auch nicht, aber gebrauchen kann man sie irgendwie doch. 

In diesem Sinne: Happy Birthday, Harry!
 

Ab 8. September in der ARD Mediathek in drei Teilen à 25 Minuten. 
Am 16. September um 20:15 Uhr wird die Dokumentation in einer einstündigen Fassung im Ersten ausgestrahlt.